Angst vor sexueller Nähe – verstehen und überwinden

Angst vor sexueller Nähe (© nd3000 / stock.adobe.com)
Angst vor sexueller Nähe (© nd3000 / stock.adobe.com)

In der Fachsprache bezeichnet man die Angst vor sexueller Nähe als Genophobie. Sie kann Teilbereiche der Sexualität betreffen oder generalisiert sein. Die Ursachen liegen in unserem kulturellen Erbe und in Erfahrungen, die wir im Laufe eines Lebens machen.

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Was ist Sexualangst eigentlich genau?

Menschen mit Angst vor sexueller Nähe haben Angst vor Geschlechtsverkehr oder gewissen Aspekten des sexuellen Kontaktes.

Diese Furcht kann ganz offensichtlich sein oder im Verborgenen walten. Die meisten Menschen kennen Ängste rund um die Sexualität und Schamgefühle.

Auch wenn Medien, Fernsehen und das Kino gerne ein anderes Bild zeichnen – viele Bereiche der Sexualität sind immer noch tabuisiert.

Spätestens wenn es um Ängste oder Probleme mit der Sexualität geht, zeigt sich die Gesellschaft gleich viel weniger offen. Häufig wird dann nur im veralbernden Kontext, unter besten Freunden oder in sehr guten Paarbeziehungen wahrhaftig und ehrlich über Sexualität gesprochen.

Wer Angst hat und keinen Ansprechpartner findet, leidet still oder landet schnell in der Schublade „frigide“ oder „Weichei“.

Die Genophobie und die Coitophobie

Ist die Angst vor Sex und Geschlechtlichkeit so stark, dass sie das Leben nachhaltig beeinträchtigt spricht man vom Krankheitsbild der Sexualangst oder Genophobie (Geschlechtsphobie).

Ein Teilbereich davon ist die Coitophobie, die spezielle Angst vor der Penetration und dem Geschlechtsakt an sich.

Genophobie kann viele Gesichter haben. Von der Angst vor Berührung und dem Nacktsein bis hin zum Kontakt zur Haut und den Körpersäften einer anderen Person.

Die Angst vor Intimität kann auch ein diffuses Gefühl sein, nichts und niemanden zu nah körperlich an sich heranlassen zu wollen

Mit der Genophobie verbundene Teilaspekte sind die Angst vor:

• Nacktheit (Gymnophobie)
• Genitalien (Eurotophobie)
• Penissen (Phallophobie)
• Körpergerüchen (Osphresiophobie)
• Sperma (Spermatophobie).

Nicht zuletzt triggert Sexualität immer auch eine sehr verbreitete Form der Angst: Die Furcht vor dem Kontrollverlust und dem Loslassen.

Nirgends sind wir so ausgeliefert und „nackt“ wie in der Sexualität.

Ein sehr schönes und authentisches Video zur allgemeinen Angst vor Sex und Intimität stammt von David Schaller. – https://www.youtube.com/watch?v=3YoGhAjp2Ns

Symptome und Anzeichen von Angst vor sexueller Nähe

Die Bandbreite reicht von Hemmungen und Störungen beim Sex bis hin zu absolutem Vermeidungsverhalten.

Wer es erst gar nicht zur sexuellen Begegnung kommen lassen möchte, kann Kontakte offensichtlich oder heimlich manipulieren.

Menschen, die trotz ihrer Angst Sex haben oder nur Teilstörungen kennen, zeigen diese Anzeichen:

• plötzliche Stimmungswandel während des sexuellen Kontakts (Abwehr, Wut, Aggression)
• körperliche Anspannung
• Orgasmusschwierigkeiten
• Schweißausbrüche
• Impotenz
• Panikattacken alleine bei der Vorstellung gewisser Aspekte der Sexualität.

Freud und Jung zum Thema der Sexualangst

Sigmund Freud forschte sehr intensiv mit der menschlichen Sexualität.

Sexualität und Geschlechtlichkeit sind grundlegende Elemente menschlichen Lebens und Daseins. Ohne Sex gäbe es keinen von uns und das Prinzip der polaren Verneinung schafft alles, was wir täglich sehen und erleben.

In sexuellen Störungen sah Freud daher Wurzel- oder Stammkonflikte, die ihre Ursachen tief im Unterbewusstsein des Menschen haben können.

Carl Gustav Jung brachte den Begriff des kollektiven Unterbewusstseins ins Spiel. Hier sitzen seiner Meinung nach kulturelle und religiöse Prägungen, die über Generationen hinweg weiter vererbt werden.

Angeschlossen sind wir an solche Strukturen ganz einfach durch unser Menschsein, die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppierungen (Völker, Familie) und soziale Interaktion.

Unser gesellschaftliches und christliches Erbe

Es ist kein Geheimnis, dass die christliche Kirche Sexualität Jahrhundertelang stigmatisierte und instrumentalisierte. Auch wenn wir uns heute ganz anders erleben und in scheinbar modernen Umfeldern leben, wirken alte soziale und gesellschaftliche Prägungen noch bis in die Neuzeit hinein.

Tatsächlich finden Psychologen bei vielen Patienten, die unter Angst vor sexueller Nähe leiden, verborgene Glaubenssätze wie „Sex ist verboten“, „Sex ist Sünde und wird bestraft“, „Pfui, das tut man nicht“ usw.

In der westlichen Zivilisation können sich viele Menschen gar nicht vorstellen, dass es Sexualität ohne Scham überhaupt geben kann.

Angst vor sexueller Nähe (© nd3000 / stock.adobe.com)
Angst vor sexueller Nähe (© nd3000 / stock.adobe.com)

Sexangst als erlerntes Verhalten

Etwas offensichtlicher und einfacher nachzuvollziehen sind Sexualängste, wenn sie von den Eltern vorgelebt wurden.

Es ist völlig normal, dass sich kleine Kinder irgendwann an den Penis oder die Vagina fassen. Viele Eltern ziehen dann schon die Finger weg und sagen „Pfui“. Damit ist schon der Grundstock für eine Sexualstörung gelegt.

Wie könnte es denn verboten, „Pfui“ oder Sünde sein, ein Teil des eigenen Körpers zu berühren? Die Kinder denken sich nichts dabei, übernehmen durch die Verbote und Strafen aber prompt die Stigmatisierungen der Eltern.

In vielen Familien wird mit Sex zu streng oder prüde umgegangen. Oder aber es findet ein unnatürlich freier bis komprimierender Umgang mit Sex statt:

• Eltern tabuisieren Sex
• sexuelle Äußerungen oder Handlungen werden bestraft
• Veralberung oder Leugnung der Geschlechtlichkeit eines Kindes

oder

• Eltern haben Sex vor den Kindern
• Eltern laufen nackt herum, obwohl es den Kindern unangenehm ist
• Eltern fassen in unguter Art und Weise an die Genitalien der Kinder
• abfällige sexuelle Bemerkungen und Witze.

Beide Spielarten der sexuellen Verzerrung stören die Entwicklung eines natürlichen sexuellen Selbstwert des Kindes.

Angst vor sexueller Nähe als Folge von Gewalt

Wer Missbrauch oder sexuelle Gewalt erlebt hat, wird in der Folge sehr wahrscheinlich eine Art der sexuellen Störung entwickeln.

Manche Menschen werden nach erfahrener Gewalt selbst zu Tätern andere entwickeln starke Ängste, Phobien und Vermeidungsverhalten.

Vorübergehende Abneigung intimer Nähe

Fast alle der genannten Ängste in Verbindung mit Sex können auch vorübergehend auftreten. Schwangere Frauen können zeitweise Ekel oder Angst vor dem männlichen Körper entwickeln. Ähnlich ist es bei Frauen rund um die Zeit der Menstruation.

Männer kennen solche Phänomene ausgelöst durch Stress, Krankheiten oder Medikamente. Versteckte Sexual- und Versagensängste können vorübergehend oder dauerhaft zu Vermeidungsverhalten oder erektiler Dysfunktion führen.

„Schuld“ sind in diesem Fall hormonelle Umstellungen und Störungen.

Wie mit dem Problem umgehen?

Ist die Ursache klar, arbeiten Therapeuten vorzugsweise mit:

• Gesprächspsychotherapie und
• Verhaltenstherapie.

Unerklärbare Ablehnung oder Ekel vor Genitalien kann manchmal ganz einfach durch eine Umkonditionerung der Denkweise und die Einrichtung neuer Bewertungsmuster behoben werden.

Sind die Ängste komplex und diffus helfen:

• tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und
• Hypnosetherapie.

Bei leichteren Fällen reichen Selbsthilfemethoden wie Bücher, die Beschäftigung mit der eigenen Sexualität und dem Körper oder alternative Heilansätze.

Wer jetzt Lust hat, die eigene sexuelle Angst zu erforschen, kann mit diesem Video der Sexualtherapeutin Dr. Katharina Klees sofort loslegen:

Weitere Quellen:

  • de.wikipedia.org/wiki/Sexualangst
  • de.wikipedia.org/wiki/Coitophobie
  • gesuendernet.de/specials/item/310-kuriose-phobien-%E2%80%93-teil-2-die-sexangst.html

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