Gründe für Essstörungen im Jugendalter

Gründe für Essstörungen im Jugendalter (© Jürgen Fälchle / stock.adobe.com)

Es gibt viele Gründe für Essstörungen im Jugendalter. Die Zeit der Pubertät ist eine Zeit, in der viel passiert. Die hormonellen Umschwünge und die Reifung zur Frau – respektive einem Mann – strapazieren körperlich und seelisch. Die körperlichen Veränderungen verunsichern Jugendliche beider Geschlechter. Die Hormone spielen verrückt. Doch junge Männer leben ihre Unsicherheit anders aus als heranreifende Frauen.

Dazu passt, dass 90 Prozent der elf bis siebzehnjährigen Betroffenen, die laut einer RKI-Studie in eine Magersucht oder eine andere Essstörung hereinrutschen, weiblich sind. Wenn Jugendliche an Magersucht, Bulimie oder Ess-Brechsucht (Binge Eating) erkranken, liegen vielfältige Ursachen dafür vor. Fachleute sprechen daher von einer multifaktoriell verursachten psychischen Störung. Diese hat mit einer verzerrten Körperwahrnehmung zu tun.

Es geht dabei nicht um den Kampf gegen Übergewicht. Vielmehr wird das Normalgewicht plötzlich als Übergewicht wahrgenommen. Junge Frauen folgen häufig einem falschen Schlankheitsideal. Sie nehmen sich ein superschlankes Supermodel oder eine attraktive Hollywood-Schauspielerin zum Vorbild. Zunächst machen sie eine Diät. Das Körpergewicht wird trotz Normalgewicht reduziert. Es wird vermehrt Sport getrieben. Den pubertären Veränderungen am Körper wird mit zunehmendem Perfektionismus entgegengewirkt.

Wie kommt es dazu, dass jemand essgestört ist?

Möglicherweise ist die Haltung zur eigenen Figur von den Eltern übernommen worden. Es geht darum, über eine schlankere, vermeintlich attraktivere Figur mehr Selbstwertgefühl zu erhalten. Oftmals belächelt die Mutter den „Babyspeck“ der Tochter. Das reicht manchmal als Auslöser einer Essstörung. Tatsächlich ist es aber nur der letzte Tropfen in ein bereits mit inneren Konflikten befülltes Fass. Das Schlankheits- und Schönheitsideal entgleist plötzlich. Mit einem Mal handelt es sich um eine Essstörung.

Diese Störung wird vor der Familie verheimlicht. Entweder wird ganz normal gegessen und hinterher erbrochen. Damit ist eine Essstörung namens Bulimie etabliert. Oder die heranwachsenden Kinder behauptet, keinen Hunger zu haben, schon gegessen zu haben oder durch die Monatsregel an Übelkeit zu leiden. Damit kann das neue Essverhalten zu einer Magersucht werden. Das hübsche Mädchen, auf das ihre Eltern so stolz waren, ist essgestört. Es hat plötzlich Untergewicht. Die Störung belastet das Familienleben zunehmend.

Absurderweise gibt es bei den betroffenen Jugendlichen kein anderes Thema als Essen und Kalorien, obwohl die Betroffenen ein gestörtes Verhältnis zu beidem haben. Die magersüchtige Tochter kocht leidenschaftlich gerne für die ganze Familie. Sie behauptet glaubhaft, schon in der Küche gegessen zu haben. Magersucht und Bulimie werden mit geschickten Strategien verschleiert. Die Familie bemerkt das Untergewicht durch weite Kleidung und die Sportlichkeit der Tochter zunächst nicht. Die essgestörte Tochter leugnet zudem, nicht genug zu essen.

Beim Binge Eating wird das Verheimlichen schwieriger. Die Essanfälle können kaum verheimlicht werden. Die Betroffenen stopfen relativ wahllos Unmengen von Essen in sich hinein und erbrechen es wieder. Die unfassbare Menge entleerter Lebensmittelverpackungen fällt auf – es sei denn, die Betroffenen leben fern der Familie in einer eigenen Wohnung. Binge Eating geht ins Geld. Ob und wie häufig Jugendliche von einer Magersucht zur Bulimie wechseln, um weniger aufzufallen, ist unklar. Es passiert aber.

Vermutlich sind Bulimie und Binge Eating eher den erwachsen gewordenen Jugendlichen zuzuschreiben, weil sie so leichter versteckt werden können. Nach Jahren der Bulimie fallen aber nicht nur einem Zahnarzt die von Magensäure verfärbten und porös wirkenden Zähne der Bulimiker auf.

Etwa 90 Prozent der essgestörten Betroffenen können erfolgreich therapiert werden. Die verbleibenden 10 Prozent leiden lebenslang unter den Essstörung. Manche der Betroffenen sterben durch Anorexie an multiplem Organversagen.

Quellen:

Gründe für Essstörungen im Jugendalter sind komplex

Einig sind sich Fachleute, dass die Gründe für Essstörungen im Jugendalter vielschichtig sind. Sie beruhen auf vielen auf die Jugendlichen einwirkenden Faktoren. Neben Hormonschwankungen in der Pubertät werden zum Beispiel

  • mangelndes Selbstwertgefühl
  • latente Ängste bis hin zur Angsterkrankung
  • mangelndes Konfliktlösungspotenzial
  • unverarbeitete Traumata
  • elterliche Scheidungskriege
  • familiäre Strenge, Leistungsdruck
  • mangelnde Zuwendung und Unterstützung der Familie
  • Mobbing in der Schule
  • sexueller oder psychischer Missbrauch
  • Gewalterfahrungen in der Familie
  • Alkoholismus oder psychische Erkrankung eines Elternteils
  • oder nicht erkannte Depressionen

zum Auslöser einer Essstörung. Über das Essverhalten entwickeln die Betroffenen das Gefühl, wenigstens in einem Bereich ihres Lebens Macht zu haben. Zugleich ist im fehlgesteuerten Essverhalten oft ein Akt der Selbstbestrafung, aber auch der Bestrafung anderer enthalten.

Aus dem einstigen Schlankheitsideal wird das Streben nach Perfektionismus. Aus dem Körper wird ein Schlachtfeld, auf dem innere Konflikte ausgetragen werden: durch Essensverweigerung und Untergewicht, Essattacken und Übergewicht, Erbrechen und ein falsches Schönheitsideal.

Quellen:

Der Weg zur Heilung einer Essstörung

Störungen der Körperwahrnehmung verdanken ihre Entstehung unbewussten Faktoren. Diese Faktoren und Ursachen müssen in der Therapie sichtbar gemacht werden, damit Heilung für die Kinder und Jugendlichen möglich wird. Die gute Nachricht ist: Störungen wie Anorexie, Bulimie und Essanfälle bei Kindern, die erkranken, sind therapierbar. Die Betroffenen sollten möglichst frühzeitig einer Therapie zustimmen, damit ihnen geholfen werden kann.

Gründe für Essstörungen im Jugendalter (© Jürgen Fälchle / stock.adobe.com)
Gründe für Essstörungen im Jugendalter sind oft multi-faktoriell – aber die Therapie-Aussichten bei Jugendlichen noch gut… (© Jürgen Fälchle / stock.adobe.com)

Erwachsene Bulimiker sind kaum noch therapierbar. Essanfälle werden mit Erbrechen beantwortet. Solche Störungen dienen der Konfliktverarbeitung. Sie bleiben in mehr oder weniger starker Ausprägung lebenslang erhalten. Dabei kann die Betroffene durchaus Normalgewicht haben. Erhebliches Untergewicht bei Erwachsenen ist andererseits nicht immer auf Magersucht zurückzuführen. Auch eine Krebserkrankung, eine Chemotherapie oder eine Nierenerkrankung mit Dialysepflicht zehren den Körper aus.

Es müssen also nicht immer psychische Störungen dahinter stecken, wenn es erkennbar zu Untergewicht kommt (s.a. Bulimie-Anzeichen Gesicht). Gleiches gilt, wenn ein junges Mädchen eine Diät beginnt. Doch solche Faktoren begünstigen die Entstehung einer Essstörung. Sie müssen daher im Auge behalten werden. Wenn das Körpergewicht zum alles überschattenden Thema wird, ist die Grenze überschritten.

Quellen: