Die F 32.1 Diagnose: Was ist damit gemeint und was bedeutet es für Patienten?
Mit der F 32.1 Diagnose wird im ICD eine mittelgradige depressive Episode codiert. Das ICD ist ein internationales Klassifikationssystem für sämtliche körperlichen und psychischen Erkrankungen, welches von der Weltgesundheitsorganisation herausgegeben wird. Das Kapitel F beschäftigt sich insbesondere mit psychischen Störungen – so auch mit der Depression. Dafür werden im ICD sämtliche Diagnosekriterien aufgeführt, die vorhanden sein müssen, um diese Störung festzustellen.
Die Depression: Eine affektive Störung
Die Diagnose F32.1 ist im ICD in dem Kapitel für affektive Störungen zu finden (Was ist eine affektive Störung?). Diese Erkrankungen äußern sich insbesondere dadurch, dass sie sich hauptsächlich durch eine Veränderung der Stimmung auszeichnen.
- Die Stimmung kann entweder, wie bei der Depression, niedergeschlagen und gedrückt sein.
- Zu den affektiven Störungen zählt man jedoch auch manische Erkrankungen, die sich durch eine gehobene Stimmung auszeichnen.
- Einige Betroffene schwanken zwischen manischen und depressiven Symptomen. In diesem Fall spricht man von einer bipolaren Störung. Auch wenn bei manchen Menschen nur eine einzige Episode im Leben auftritt, so neigen diese Erkrankungen doch dazu, mit Rückfällen einherzugehen und – insbesondere, wenn sie unbehandelt bleiben – zu chronifizieren.
Symptome bei Diagnose einer depressiven Episode
Die Depression wird im ICD noch einmal nach dem Schweregrad der Symptomatik unterteilt. So unterscheidet man zwischen einer leichten (F 32.0), einer mittelgradigen (F 32.1) und einer schweren (F 32.2 und F 32.3) Episode. Typischerweise leiden Betroffene bei allen drei Ausprägungsformen unter einer gedrückten Stimmung und einem Verlust von Antrieb und Aktivitäten. Zusätzlich verlieren sie die Fähigkeit, Freude zu empfinden. Selbst Dinge, die ihnen früher Spaß gemacht haben, empfinden sie als belastend oder stehen ihnen gleichgültig gegenüber. Auch Interessenverlust und Konzentrationsschwierigkeiten sind meist Teil der Symptomatik.
Manche Patienten klagen außerdem über eine starke Ermüdbarkeit: Selbst kleine Aufgaben im Alltag sind dann kaum noch zu bewältigen und gehen mit einem Gefühl der absoluten Erschöpfung einher. Auch wenn Depressionen vorrangig als psychische Störung klassifiziert werden, so handelt es sich doch um eine Erkrankung, deren Symptome den ganzen Menschen betrifft: Dessen Gedanken, Gefühle, körperliches Befinden und auch Handlungen und Verhaltensweisen. So treten neben den drei Hauptsymptomen (gedrückte Stimmung, Anhedonie und schnelle Ermüdbarkeit) häufig eines oder mehrere der folgenden Zusatzsymptome auf:
- Schlafstörungen: Betroffene schlafen entweder zu viel und zu lange oder aber sie können schlecht einschlafen, da sie zum Beispiel lange über etwas nachgrübeln.
- Veränderungen vom Appetit: Es wird entweder deutlich mehr oder deutlich weniger gegessen als es früher der Fall war. Teilweise kommt es sogar zum Appetitsverlust und zu starker Gewichtsabnahme.
- Niedriges Selbstwertgefühl, kein Selbstvertrauen und viele Selbstzweifel
- Quälende Schuldgefühle und/oder das Empfinden der eigenen Wertlosigkeit
- Interessensverlust
- Libidoverlust (vgl. Libido anregen)
- Psychomotorische Hemmung oder Agitiertheit: Betroffene bewegen sich deutlich langsamer als sonst oder aber sie wirken getrieben und fahrig, ohne jedoch ein konkretes Ziel zu haben, das erreicht werden soll.
- Suizidgedanken und der Wunsch, nicht mehr Leben zu „müssen“
- Psychotische Symptome (vgl. auch: psychotische Depression)
Je nachdem, wie viele der genannten Kriterien zutreffen, wird ein Arzt eine leichte, eine mittelgradige oder eine schwere Episode diagnostizieren. Bei der F 32.1 Diagnose handelt es sich um eine mittelgradige depressive Episode. Um diesen Schweregrad zu diagnostizieren, sind in der Regel vier oder mehr der oben aufgezählten Symptome beobachtbar. Damit verbunden sind meist starke Einschränkungen im Alltag. Patienten können zwar manchmal noch ihrem Beruf nachgehen und „funktionieren“ von außen betrachtet scheinbar, haben jedoch innerlich große Schwierigkeiten dabei. Häufig treten Depressionen nicht einmalig auf, sondern manifestieren sich als rezidivierende Störung. Das bedeutet, dass sich depressive Episoden im Verlauf der Zeit wiederholen.
Was ist eine psychotische Depression?
Bei schweren depressiven Episoden kann es unter Umständen auch zu psychotischen Symptomen kommen. Bei dieser Diagnose erleben Betroffene wahnhafte Zustände, in denen sie den Kontakt zur Realität vollständig oder teilweise verlieren. Neben Konzentrationsstörungen und Denkstörungen können dann im Zusammenhang mit Depressionen außerdem Zwangsgedanken oder -Handlungen sowie Wahnideen auftauchen. Dabei handelt es sich oft um Wahnideen, die sich um die Themen Schuld oder Selbstwert drehen: Verarmungswahn, Verschuldungswahn, Versündigungs- oder Verkleinerungswahn. Eine Depression mit psychotischen Zügen wird im ICD unter der Ziffer F32.3 klassifiziert. In der F 32.1 Diagnose ist keine Psychose enthalten. Siehe auch: Depression Arten.
Wie hoch ist die Prävalenz?
Depressionen gehören zu den häufigsten Erkrankungen – und auch zu jenen, die in ihrer Schwere am meisten unterschätzt werden. Nicht nur verursacht die Krankheit einen großen Leistungsabfall im Alltag – sie ist auch eine der Hauptursachen für Suizide. Im Laufe ihres Lebens erkranken in Deutschland etwa 16 bis 20 von 100 Menschen mindestens einmal an einer depressiven Episode oder einer Dysthymie (einer leichteren depressiven Verstimmung). Dabei sind Frauen insgesamt häufiger davon betroffen als Männer und ältere Menschen häufiger als junge. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Krankheit nicht schon im Kindes- und Jugendalter auftreten kann. Vor allem bei Menschen, die wiederholt unter Episoden leiden, manifestiert sich die Krankheit oft bereits in der Adoleszenz und nimmt dann einen schleichend-chronifizierenden Verlauf. So quälend eine Depression auch ist – wird die Erkrankung frühzeitig erkannt, ist sie meist gut behandelbar. Häufig können die Beschwerden sich vollständig zurückbilden. Dafür wird in der Regel ein Zusammenspiel aus Psychotherapie und medikamentöser Behandlung empfohlen.
Erste Hilfe und Therapie
Wird ihnen eine Depression diagnostiziert, ist es für die meisten Menschen zunächst ein Schock. Dennoch dürfen sie verstehen, dass diese Diagnose keineswegs eine Einbahnstraße ist – Heilung ist immer möglich. Dafür ist es jedoch wichtig, sich so schnell wie möglich ärztliche und psychotherapeutische Hilfe zu suchen. Im Rahmen einer professionellen Behandlung kann gemeinsam nach den Ursachen der Erkrankung gesucht werden. Die Therapie kann sowohl ambulant als auch stationär durchgeführt werden. Im Falle einer mittelgradigen depressiven Episode ist jedoch in der Regel eine ambulante Psychotherapie ausreichend. Dabei geht es in der Akuttherapie zunächst darum, den Patienten zu stabilisieren. Hierfür kann manchmal die Gabe von Antidepressiva sinnvoll sein, vgl. auch F41.2. Ist die depressive Episode abgeklungen, gilt es, den Zustand zu erhalten und weiter stabilisierend zu arbeiten, um Rückfälle zu vermeiden.
F32.1 | Quellen
- dimdi.de/static/de/klassifikationen/icd/icd-10-gm/kode-suche/htmlgm2015/block-f30-f39.htm.
- netdoktor.de/krankheiten/psychose/
- neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/stoerungen-erkrankungen/depressionen/einteilung
- bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/gesundheitsgefahren/depression.html
- deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/was-ist-eine-depression/verlaufsformen.
- angst-verstehen.de/f32-1-diagnose-ueberblick/