Angst vor Menschenansammlungen

Angst vor Menschenansammlungen (© TIMDAVIDCOLLECTION / stock.adobe.com)

Angst vor Menschenansammlungen – Was tun?

Die Angst vor Menschenansammlungen ist nachvollziehbar. In Londoner und Tokioter U-Bahnschächten, bei Rockkonzerten oder Fußballspielen kann es extremes Gedränge geben. Dabei sind schon Menschen zu Schaden gekommen. Mancher erinnert sich an das unfassbare Unglück bei der Love Parade 2010.

Fakt ist jedoch, dass begründete Ängste vor großen Menschenansammlungen keinen Krankheitswert haben. Diese Ängste beruhen auf einem Instinkt für realistische Risiken. Sie beinhalten zudem eine sachliche Bewertung von Vorfällen, die im Bereich eigenen Erlebens liegen oder über die in den Medien berichtet wurde.

Wenn die Angst vor Menschenansammlungen Krankheitswert erhält

Die Angst vor Menschenansammlungen kann jedoch ausufern. Sie erhält damit einen Krankheitswert. Die Betroffenen meiden aus Angst vor Menschenansammlungen immer mehr Orte, wo sie auf viele Menschen treffen könnten. Geschehnisse wie die Corona-Pandemie oder mediale Berichte über Demos, die aus dem Ruder gelaufen sind, können solche Ängste befeuern. Sie verstärken latente Ängste vor Menschenansammlungen.

Fakt ist: In Menschenansammlungen ist die Ansteckungsgefahr potenziell größer. Das ist eine realistische Erkenntnis. Diese beruht auf beweisbaren Fakten. Eine irrationale und unbegründete Angst vor Menschenansammlungen führt jedoch zunehmend zu Meidungsverhalten. Dieses dehnt sich auch auf andere Gebiete aus. Die Angstattacken betreffen irgendwann keine realen Situationen mehr. Sie richten sich hauptsächlich auf befürchtete Situationen.

Der Patient erlebt durch seine Ängste einen starken Leidensdruck. Er schränkt seinen Erlebnis-Spielraum und sein Leben immer mehr ein. Panikattacken in Bus und Bahn sorgen dafür, dass er nur noch zu Fuß geht. Warteschlangen vor Kinos oder Geldautomaten veranlassen ihn, nicht mehr dorthin zu gehen. Auch soziale Kontakte gehen verloren (Angst unter Menschen zu gehen, Angst mit Menschen zu reden). Der Supermarktbesuch wird auf den frühen Morgen geschoben. Jedwede Entscheidung wird unter dem Einfluss der ausgeuferten Angst vor Menschenansammlungen getroffen.

Hier muss man von einem Krankheitswert sprechen. Ohne eine Behandlung wird der Betroffene kein normales Leben mehr führen können. Er verliert vielleicht irgendwann seinen Arbeitsplatz.

Die Symptome von Demophobie, Agoraphobie und Ochlophobie

Viele Menschen gehen ohne Ängste vor Menschenmassen auf Kirchentage, Oktoberfeste, Jahrmärkte, Ostermärsche und Mai-Kundgebungen oder Friedensfestivals. Sie sitzen mit vielen anderen in einem Theater oder Kino. Hunderte von Menschen stehen stundenlang Schlange für Tickets – für eine legendäre MOMA-Ausstellung oder um von der verstorbenen Queen Elisabeth II. Abschied zu nehmen. Andere Menschen verkriechen sich zur selben Zeit seit Monaten oder Jahren zuhause. Der Grund: Angst vor Menschenansammlungen.

Es handelt sich jedoch nicht um eine begründete oder latente Angst, die als wichtiges Warnsignal für reale Gefahren angesehen werden kann. Vielmehr sind solche Menschen vor der ausgeuferten Panik betroffen, in eine Menschenansammlung zu geraten und zu Schaden zu kommen. Schon beim bloßen Gedanken an eine kleine Menschenansammlung bekommen die Betroffenen Herzrasen, Atemnot, Schweißausbrüche und verspüren einen Fluchtinstinkt.

In der Folge meiden sie alle Situationen, die potenziell zu Menschenansammlungen führen könnten. Dabei werden entsprechende Ängste in der Fachliteratur unter verschiedenen Begriffen beleuchtet:

  • Der Begriff „Demophobie“ bezeichnet die Angst vor Demonstrationszügen, aber auch die Angst vor überfüllten Plätzen, Einkaufszentren oder Konzert-Arenen.
  • Mit dem Begriff „Agoraphobie“ wird eine psychische Störung bezeichnet, die sich auf weite und menschenleere Plätze ebenso bezieht wie auf Menschengedränge. Hier spielt auch die Platzangst eine Rolle.
  • Als „Ochlophobie“ werden irrationale und übertriebene Ängste vor Menschenmassen an überfüllten Plätzen bezeichnet. Die Betroffenen fürchten, im Gedränge zerquetscht oder niedergetrampelt zu werden. Die genaue Abgrenzung der Unterschiede zwischen diesen Begriffen ist Sache von Fachleuten.

Für uns ist wichtig: In allen drei Fällen erleben die Betroffenen Panik und Angst vor Kontrollverlust. Sie nehmen angesichts der Symptome aber eine körperliche Ursache für ihr Missempfinden an, nicht eine psychische.

Der Organismus reagiert auf die Ängste vor Menschenansammlungen mit Symptomen wie

  • Angstzuständen
  • Panikattacken
  • Blutdruckabfall oder Bluthochdruck
  • Schweißausbrüchen
  • Verwirrtheit, Benommenheit
  • Herzrasen oder unregelmäßigem Herzschlag
  • Atemnot
  • Zittern
  • erhöhter Pulsfrequenz
  • Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen
  • innerer Unruhe, Nervosität
  • sowie Flucht- und Meidungsverhalten.

Die Konzentration auf die dramatisch wirkenden Symptome verhindert den Blick auf die eigentliche Problematik: die verselbstständigte Angst vor Menschenansammlungen, die zu dieser Symptomatik geführt hat.

Schon bald entsteht Angst vor den nächsten Panikattacke, dem Herzrasen und allen anderen Erscheinungen der Angststörung. Mediziner sprechend dann von der Angst vor der Angst. Die Betroffenen finden nur mit einer fachgerechten psychotherapeutischen Behandlung wieder in ein normales Leben zurück.

Angst vor Menschenansammlungen (© TIMDAVIDCOLLECTION / stock.adobe.com)
Angst vor Menschenansammlungen (© TIMDAVIDCOLLECTION / stock.adobe.com)

Überblick über Behandlungsmöglichkeiten

Das Problem ist, dass es zu wenig Therapieplätze für solche Menschen gibt. Die von einer Angststörung Betroffenen trauen sich nicht, den Weg zum Therapeuten zu gehen. Die Betroffenen halten sich oft für schwer krank. Sie erkennen jedoch die psychischen Dimensionen des Geschehens nicht, sondern glauben, sie seien körperlich erkrankt.

Oftmals beginnt eine verzweifelte Odyssee von Arzt zu Arzt. Organisch ist aber alles in Ordnung. Es dauert meist Jahre, bis ein fähiger Arzt den Verdacht äußert, es könne sich um eine Angststörung handeln. Das kann für die Betroffenen ein Schock sein. Doch es eröffnen sich auch Möglichkeiten, das eigene Leben wieder in die Hand zu nehmen und nach einer Therapie angstfreier leben zu können.

Wer nicht zu einem Psychotherapeuten gehen möchte, weil die Krankenkassen nur bestimmte Therapieformen für hilfreich halten, hat heutzutage die Möglichkeit, einen psychotherapeutisch ausgebildeten Heilpraktiker aufzusuchen. Die Kosten dafür muss er allerdings selbst tragen.

Erfolge bei der Behandlung der Angst vor Menschenansammlungen sind mittels kognitiver Verhaltenstherapie oder traditioneller Psychotherapie, aber auch mit therapeutischer Hypnose oder Mentaltraining zu belegen. Zudem sind auch Selbsthilfemaßnahmen erfolgreich. Die Einnahme von pflanzlichen Beruhigungsmitteln hat sich bewährt. Letzten Endes hilft aber nur die behutsame Konfrontation mit der angstauslösenden Situation. Diese kann zunächst über Fotos und Gespräche über das Gesehene und die dadurch ausgelösten Befürchtungen geschehen.

Die schrittweise Konfrontation mit den angstauslösenden Stimuli stellt heutzutage die erfolgreichste Therapieform dar. Therapieplätze sind allerdings rar, die Wartelisten meist lang. Das erhöht den Leidensdruck für die Betroffenen. Diese wissen nun, dass die ein psychisches Problem haben. Sie empfinden oft Hilflosigkeit und Scham.

Der Umgang des Umfeldes mit Angststörungen

Manche Menschen glauben nicht, dass sämtliche von ihnen geschilderten Symptome psychischer Natur sind. Sie behaupten, über die wahre Natur ihres Zustandes belogen zu werden. Das macht es umso schwerer, diesen Menschen zu helfen. Zu betrachten ist auch, dass solche Störungen einen Krankheitsnutzen haben können. Wenn die Angst vor Menschenansammlungen dazu führt, dass man sich umsorgt fühlt, möchte man sie oft nicht wieder los werden.

Weil das Umfeld sich rührend um den vermeintlich kranken Angehörigen kümmert, erlebt dieser vielleicht zum ersten Mal echte Fürsorge, Verständnis und Zuwendung. Auch das Umfeld erkennt oft nicht, dass es sich um ein psychisches Problem handelt. Es unterstützt den vermeintlich kranken Menschen, in dem es ihn umsorgt, beschützt und bei Arztbesuchen begleitet. Seine Mitmenschen nehmen dem Betroffene alles Mögliche ab, damit er wieder gesund werden kann. Damit halten sie ihn jedoch in der Erkrankung fest.

Sobald die Ursache der Panikattacken und der anderen Begleitsymptome erkannt sind, muss das Umfeld eine andere Art der Unterstützung wählen. Manchmal hilft es, dem Betroffenen ein Buch zum Thema in die Hand zu geben. Man kann ihm YouTube Videos ans Herz legen, in denen Betroffene von ihren Erlebnissen berichten. Es ist wichtig, dass der Betroffene versteht, dass ihm geholfen werden kann.

Falls er bereits aus dem Berufsleben gefallen ist, benötigt er jede Unterstützung, um erneut Anschluss zu finden und sich als vollwertiger Mensch zu fühlen.

Quellen:

  • Angst vor Kontakt mit Menschen
  • https://seelenfrieden24.de/angst-vor-menschenmassen/
  • https://gesund-aktuell.net/krankheiten/demophobie-angst-vor-menschenmassen-angst-vor-menschenansammlung/
  • https://www.angst-verstehen.de/demophobie-angst-vor-demos-und-menschenansammlungen/
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Agoraphobie
  • https://www.angst-verstehen.de/ochlophobie/
  • https://www.hp-praxispsychotherapie.de/angst-vor-menschenansammlungen/
  • https://www.angst-verstehen.de/konfrontationstherapie-bei-angststoerungen/
  • https://www.youtube.com/watch?v=zBwvn8pCVnM