Angst unter Menschen zu gehen

Angst unter Menschen zu gehen (© Africa Studio / stock.adobe.com)

Angst unter Menschen zu gehen: Was ist normal, was therapiebedürftig?

Die Angst unter Menschen zu gehen, kann nachvollziehbar sein – oder auch nicht. Nachvollziehbare Ängste vor Begegnungen können dadurch gegeben sein, dass jemand Brandnarben im Gesicht hat. Frauen scheuen sich vor Begegnungen mit anderen Menschen, wenn sie durch eine Chemotherapie alle Haare verloren haben. Früher oder später können die meisten Betroffenen ihre Ängste überwinden.

Wenn alte Menschen von der Angst unter Menschen zu gehen betroffen sind, haben sie meist Angst vor Überfällen oder Stürzen. Das ist nachvollziehbar. Anders ist es, wenn es keinen nachvollziehbaren Grund dafür gibt, dass jemand soziale Ängste entwickelt. Die Angst unter Menschen zu gehen, führt zu sozialer Isolation. Sie kann viele Gründe haben. Die Betroffenen können an Psychosen oder an Angsterkrankungen leiden.

Manche Menschen können traumatische Erlebnisse hinter sich haben. Diese erschweren den normalen Umgang mit anderen Menschen. Solche Menschen brauchen Hilfe.

Woher kommt die Angst unter Menschen zu gehen?

Die Angst unter Menschen zu gehen, kann auf Schüchternheit und Unsicherheit beruhen. Soziale Ängste sind verbreiteter als bekannt ist. Aber man kann sie sich abtrainieren. Von alleine werden sie nicht verschwinden. Es bedarf der Selbstüberwindung, um auf Menschen zuzugehen. Latente soziale Ängste kennt wohl jeder. Man zieht in eine neue Stadt, tritt einen neuen Arbeitsplatz an (Angst vor neuer Arbeit, Angst vor erstem Arbeitstag) und kennt niemanden auf einer Party.

Fast jeder fühlt sich damit unwohl. Manchmal verlässt man die Party fluchtartig. Doch am Arbeitsplatz kann man sich das nicht leisten. Man muss ins kalte Wasser springen und Kontakt zu den neuen Kollegen suchen. Oftmals machen diese es einem leichter. Krankheitswert haben soziale Ängste, wenn es zu Panikattacken, schwitzigen Händen, Herzrasen und ähnlichen Symptomen kommt – selbst vor der Begegnung mit anderen Menschen. Wenn Begegnungen mit anderen Menschen zunehmend gemieden werden, liegt möglicherweise eine Angsterkrankung vor – siehe auch Angst vor sozialen Kontakten.

Meidungsverhalten ist ein typisches Anzeichen für Angststörungen. Die Reaktion auf ein vorgestelltes oder tatsächliches Erleben ist unverhältnismäßig. Zudem stehen die erlebten Symptome in keinem nachvollziehbaren Zusammenhang mit realen Begegnungen. Die Befürchtungen der Betroffenen beruhen auf Annahmen und Fantasien. Diese haben sich verselbstständigt. Sie dominieren die Betroffenen, ohne dass diese die Ursache dafür erkennen. Zu Beginn der Corona-Pandemie hatten viele Menschen Angst, unter Menschen zu gehen. Sie fürchteten die der Ansteckungsgefahr und mussten sich erst an die neue Situation gewöhnen.

Den meisten Menschen ist das gelungen. Sie haben Strategien im Umgang mit der Pandemie gefunden oder folgen den Anweisungen der Gesundheitsbehörden. Aber nicht allen Menschen gelang es, ihre Ängste vor Kontakten zu anderen Menschen zu überwinden. Waren bei den Betroffenen bereits latente soziale Ängste vorhanden, wurden diese durch die Corona-Pandemie verstärkt. Die Zahl psychischer Störungen stieg sprunghaft an.

Was kennzeichnet einen Sozialphobiker?

Menschen, die an einer sozialen Phobie leiden, nennt man Sozialphobiker. Doch was kennzeichnet eine soziale Phobie? Diese Angststörung betrifft die Angst, unter Menschen zu sein, von ihnen wahrgenommen und beobachtet zu werden. Sie betrifft mögliche Bewertungen und Abwertungen. Ob es um zufällige Begegnungen in einem Bus geht oder um Menschen, die man auf dem Wochenmarkt trifft, spielt keine Rolle. Sozialphobiker meiden nach Möglichkeit beides. Sie scheuen sich davor, Menschen anzusprechen oder angesprochen zu werden. Siehe Angst mit Menschen zu reden.

Die Angst unter Menschen zu gehen, ist eine der häufigsten Angststörungen. Frauen sind deutlich häufiger von Sozialphobien betroffen. Sie fürchten, zu hässlich, dick oder dumm zu sein, von anderen abgelehnt zu werden oder sich lächerlich zu machen. Oftmals führen Erlebnisse in Kindheit und Jugend zu ängstlichen Befürchtungen. Die daraus entstehenden Minderwertigkeitsgefühle können sich in typischen Angstsymptomen äußern. Solche Menschen werden anfangs rot. Sie stottern verlegen herum, wirken verunsichert.

Bei fortlaufender Entwicklung dieser Grundhaltung leiden die Betroffenen unter

  • Schweißausbrüchen
  • Panikattacken
  • Herzrasen
  • innerer Unruhe
  • Erwartungsangst
  • Schwindel
  • Ohnmachtsgefühlen
  • Beklommenheit
  • oder Atemnot.

Anlass und Auswirkungen stehen in keinem erkennbaren oder nachvollziehbaren Zusammenhang. Die Angst hat sich verselbstständigt. Sie dominiert das Leben und das Erleben der Betroffenen. Die Gedanken kreisen permanent um irrationale Befürchtungen. Die Angst unter Menschen zu gehen führt zur Meidung von Einkäufen oder Spaziergängen. Die Betroffenen isolieren sich zunehmend.

Die einzigen Kontakte sind oft die eigenen Angehörigen. Der Prozess des Rückzugs von den Menschen ist oft schleichend. Die Befürchtungen wachsen mit jeder Panikattacke ins Unermessliche. Die Gedanken befassen sich bei psychisch kranken Menschen vorwiegend mit den eigenen Zustand. Dieser beruht vermeintlich auf einer körperlichen Erkrankung. Tatsächlich ist aber die Psyche erkrankt. Zu unterscheiden sind generalisierte Ängste und nicht-generalisierte Ängste.

Bei generalisierten Angststörungen sind mehrere Lebensbereiche angstbesetzt. Der Grad des Leidensdrucks ist größer. Der chronisch gewordene Angst-Zustand ist bereits längere Zeit aufgefallen. Die Betroffenen sind daher leichter erkennbar. Bei nicht-generalisierten Ängsten betreffen die Befürchtungen eine oder zwei konkrete Situationen. Die Angst vor dem Zahnarzt und dem Gang durch ein Einkaufszentrum kann man deutlich besser verschleiern.

Solche Menschen meiden diese Situationen, ohne dass es anderen auffällt. Sie wirken nicht unbedingt psychisch krank. Solche Angstpatienten fallen weniger auf. Sie wenden sich oft nicht an einem Psychotherapeuten. Der Leidensdruck ist erträglich. Manchmal greifen die Angstgeplagte zu Beruhigungstabletten, entspannenden Rauschdrogen wie Marihuana oder Alkohol, wenn sie eine angstbesetzte Situation durchstehen müssen. In diesem Verhalten liegt eine potenzielle Abhängigkeit als Risiko.

Als weitere Erkrankungen und Komorbiditäten können sich bei dem Sozialphobiker Depressionen, Essstörungen oder Zwangsstörungen entwickeln. Diagnostisch abzugrenzen ist die Sozialphobie von der ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung.

Angst unter Menschen zu gehen (© Africa Studio / stock.adobe.com)
Angst unter Menschen zu gehen (© Africa Studio / stock.adobe.com)

Was kann man tun, wenn soziale Ängste überhandnehmen?

Potenziell kommt jeder Mensch einmal im Leben in eine Situation, wo seine Ängste überhandnehmen. Traumata, Jobverluste, Scheidungen oder plötzliche Todesfälle werfen Menschen aus dem gewohnten Alltag. Latent unsichere und sozial wenig integrierte Menschen können dann eine Angststörung entwickeln. Wenn die Angst unter Menschen zu gehen nicht überwunden wird, ist der Gang zum Hausarzt unvermeidlich. Sozialphobiker werden meist zu einem Psychotherapeuten überwiesen.

Mittels kognitiver Verhaltenstherapie oder tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie kann man soziale Ängste überwinden. Die Betroffenen setzen sich mit Ursachen und Hintergründen ihrer Ängste auseinander. Sie verstehen, dass sie keineswegs schwer krank sind. Das kann ein Schock sein. Diesem folgt aber meist Erleichterung. Der Psychotherapeut gibt seinen Klienten kleine Übungen auf. Sie sollen helfen, die Angst unter Menschen zu gehen, zu überwinden. Zusätzlich kann eine Hypnotherapie hilfreich sein. Diese muss aber selbst finanziert werden.

Die Befürchtungen vor Kontakten zu anderen sollen während der Therapie als unrealistisch und überzogen erkannt werden. Manchmal helfen Medikamente, die Ängste zu mindern. Meist werden Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Sertralin, Escitalopram oder Paroxetin verordnet. SSRI-Medikamente greifen in den Serotonin-Stoffwechsel ein. Sie hemmen die Wiederaufnahme von Serotonin. Die gängige Ansicht der Mediziner lautet, dass Stimmungs-Stabilität und Angstfreiheit vom Serotonin-Gehalt im Hirn abhängen. Auch das Vorkommen von Depressionen wird auf Serotonin-Defizite zurückgeführt.

Neben SSRI- Medikamenten sind Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) im Einsatz. Ein SSNRI-Medikament wie Venlafaxin hemmt zusätzlich den Rücktransport von Noradrenalin hemmen.

Problematisch ist aber die lange Wartezeit auf Therapieplätze. Der Angstpatient kann bereits jahrelang unter sozialen Ängsten leiden. Wenn der Leidensdruck unerträglich ist, ist das Warten auf einen Therapieplatz ein Problem. Ohne Medikamente ist es kaum zu überstehen.

Quellen: