Warum bekommt man plötzlich Panikattacken?
Panikattacken kommen meistens aus heiterem Himmel: Sie gehen mit Symptomen wie einem beklemmenden Gefühl, Angstgedanken, Fluchttendenzen, Schweißausbrüchen, Herzrasen und Zittern einher. In besonders schlimmen Fällen, entstehen Atemnot, Übelkeit und regelrechte Schmerzen im Brustraum. Die Ursachen der Panik liegen in Überforderungszuständen, erlernten Verhaltensweisen, verdrängten Ängsten und gespeicherten Reaktionsmustern.
Panik und Panikattacke: die Hintergründe
Das Wort Panik beschrieb ursprünglich die Angst- und Fluchtreaktion von scheuen Tieren. Namensgeber war der griechische Waldgott Pan. Als Hirte der Waldtiere wurde er auch zum Namensgeber einer ganz typischen Reaktion der scheuen Waldbewohner: nähert sich ein Feind in Gestalt eines Jägers oder eines Raubtieres, versetzt ein Überlebensmechanismus die Tiere nahezu automatisch in Panik.
Das Gehirn leitet blitzschnell und ohne weiter zu überlegen eine Fluchtreaktion ein. Die Muskeln der Tiere kontrahieren sich, die Atmung stockt einen Moment, dann wird sie flach, die Beine werden in Bewegung versetzt und Rehe sowie andere scheue Tiere sind „fluchtartig“ verschwunden.
Ist eine reale Bedrohung hinter den Tieren her, flüchten sie so lange bis sie in Sicherheit sind oder ein Jäger sie gestellt hat.
Doch nicht immer wird die Panik von einer realen Bedrohung ausgelöst. Manchmal kann es sich auch um einen Fehlalarm handeln. Der Überlebensmechanismus der Tiere ist so eingestellt, dass er lieber einmal mehr zur Flucht greift, als einmal zu wenig.
Realisieren die Tiere langsam, dass die Bedrohung nicht echt war oder fühlen sie, dass sie nicht verfolgt werden, halten sie inne. Dann drehen sie sich in der sogenannten Fluchtdistanz um und checken die Lage hinter ihnen.
Können sie keine Bedrohung mehr ausmachen, kehren sie in ihren normalen Rhythmus zurück.
Diese archaischen Muster laufen auch in den jedem Menschen ab, der eine Panikattacke erlebt.
Das Flucht- oder Kampfzentrum im Gehirn
Im limbischen System des Gehirns (auch Reptilienhirn) befindet sich die Amygdala. Diese auch als „Mandelkern“ bezeichnete Einheit hat hauptsächlich diese Aufgaben:
- Emotionale Bewertungen der Umgebung
- Auslösung des Fluchtmechanismus
- Auslösung des Kampfmechanismus
- Auslösung des Freeze-Modus.
Die Amygdala bewertet beim Menschen beispielsweise Umweltsituationen, die Gesichtsausdrücke von Mitmenschen, den „Bedrohungsstatus“ von ausgesprochenen Wörtern, gesehenen Bildern, aber auch von Gedanken.
Es gibt in menschlichen Gehirn Einheiten, die nicht zwischen gedachten Elementen, inneren Bildern, Erinnerungen, Interpretationen und ganz realen Ereignissen unterscheiden können. Diese Areale können folglich durch bloße Einbildung oder Erinnerungen in Alarmbereitschaft versetzt werden.
Das System aus Amygdala und weiteren beteiligten Hirnarealen läutet einen unserer ältesten Instinkte ein: den Flucht- oder Kampfmechanismus.
Das Reptilienhirn ist tatsächlich der älteste Teil unseres Gehirns. Dort sitzen Instinkte und Ur-Mechanismen (in Abgrenzung zu neueren Fähigkeiten wie Vernunft und Kreativität), die wir mit der evolutionären Entwicklungsstufe der Reptilien als Lebewesen zwischen Wasser- und Land gemeinsam haben.
Entscheidet die Amygdala, dass eine Bedrohung für Leib und Leben vorliegt, leitet sie in der Regel zunächst eine Fluchtreaktion ein.
Typische Symptome sind:
- Muskelkontraktion
- flacher Atem
- Herzklopfen
- Gedanken der Angst.
Ist die Flucht nicht möglich, bereitet sich der Körper auf den Kampf vor:
- Anspannung
- absoluter Fokus
- Herzrasen
- ein „Rush“ an Stresshormonen, der die Kampffähigkeit verbessert
Ist es aussichtslos den Kampf zu gewinnen, erfolgen eine innerliche Erstarrung und Hingabe an die Situation (dem „Gefressenwerden“).
In diesem Video erklärt Dr. Johannes von der Techniker Krankenkasse, dass Panik wirklich jeden treffen kann und was bei den ersten Anzeichen der Entstehung einer Attacke (vgl. auch: Wie entsteht Angst im Gehirn?) hilft:
Panikattacken als Zeichen mentaler, psychischer und körperlichen Überlastung
Menschen, die sich insgesamt nicht sicher fühlen, können eine überreizte Amygdala haben. Das bedeutet im Klartext, dass solche Menschen viel schneller mit Flucht- und Panik reagieren als andere.
Die Hintergründe dafür sind diverse Veranlagungen, Prägungen und Angsterkrankungen:
- chronischer Stress (emotional, sozial, körperlich)
- schlechte Erfahrungen in der Kindheit
- gespeicherte Traumata
- von den Eltern oder Geschwistern übernommene Reaktionsmuster
- psychische Störungen
- mentale Überlastung
- Posttraumatische Belastungsstörung
- Ängste und Phobien
- insgesamt empfindliche Personen (Übersensibilität).
Bei Menschen mit einer Panikstörung können sich im Gehirn Datenverarbeitungsmuster etabliert haben, die im Alltag viel häufiger zu Kurzschlussreaktionen führen, als bei gesunden Personen.
Ein Beispiel:
Ein Mensch leidet an einer Agoraphobie (Angst vor Menschenversammlungen und offenen Plätzen). Nähert sich der Betroffene offenen Plätzen oder Menschenmengen, setzt eine Panikreaktion ein:
- Beklemmungen,
- Angst,
- Fluchttendenzen.
Zwingt man einen Menschen mit Agoraphobie an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen und nimmt ihm die Möglichkeit zur Flucht, gleicht das in der Bewertung des Reptilienhirns einem verlorenen Kampf. Ohne professionellen Beistand oder einer ärztlichen Behandlung wird dieser Mensch sehr wahrscheinlich in den Freeze-Modus verfallen: Er erstarrt, zittert und wähnt im Inneren, dass sein letztes Stündlein geschlagen hat.
Nun werden die Mitmenschen einen Patienten mit einer Angststörung nicht auffressen. Doch das Angsterlebnis frisst sich fest. Der Körper speichert die erfahrenen Emotionen, die Machtlosigkeit und es bildet sich eine weitere Angst aus, nämlich die, dass sich der Angstanfall (Angst vor der Angst) wiederholt. Siehe auch: Angstattacken, Panikattacken morgens beim Aufwachen.
Auslöser von Panikattacken
Neben vorhandenen Angststörungen und anderen Erkrankungen können auch seelisch-emotionale Überlastungen Panikattacken begünstigen.
Wer viel Stress erlebt, zu wenig schläft und selten Ruhe findet, überlastet sein Nervensystem. Heute „funktionieren“ viele Menschen aufgrund von den Bedingungen im Alltag, der Reizüberflutung, dem stressigen Arbeitsleben und familiär herausfordernden Situationen fast nur mit dauerndem Einsatz des sympathischen Nervensystems (potenzielle Alarmbereitschaft).
Dieses steht in enger Verbindung zu Anspannungen, Nervosität, flacher Atmung, übersensibler Reizverarbeitung und der Ausschüttung von Stresshormonen.
Das Ruhe-Nervensystem ist der Parasympathikus. In diesem reicht die Atmung tiefer, das Gehirn registriert, dass alles in Ordnung ist und der Körper schüttet Wohlfühl-Hormone aus.
Leider sind chronischer Stress und andauernde Nervosität für viele Menschen schon so „normal“ geworden, dass sie die Krankheit dahinter nicht mehr realisieren.
Ein auf diese Weise ständig in Alarmbereitschaft befindlicher oder geschwächter Körper reagiert auch eher mit Panikattacken als ein ausgeglichenes Gemüt.
Wie vielfältig sich Angst, Angststörungen und Panikattacken bei Menschen zeigen können, dokumentiert dieser Beitrag des Kultursenders ARTE:
Die Panikattacke als einmaliges oder seltenes Ereignis
Wann immer sich bei einem Betroffenen plötzlich und aus heiterem Himmel eine Panikattacke einstellt, sollten Stress und eine vorübergehende Überforderungssituation als Auslöser in Betracht gezogen werden.
Es kann auch sein, dass sich eine sehr seltene Situation wiederholt hat, die in der Kindheit oder in jungen Lebensjahren mit Angst und Panik verbunden wurden. Das Gehirn hat sich diese als „lebensbedrohlich“ empfundene Situation genau gemerkt. Taucht eine bestimmte Anzahl an ähnlichen Triggern auf (ähnliche Stimmen, Umgebungen, Emotionen) kann ein Kurzschluss-Mechanismus eine Panikattacke auslösen.
Die Panikattacke als dauerhaftes Krankheitsbild
Bei vielen Betroffenen sind Panikattacken ein wiederkehrendes Ereignis. Sie tauchen entweder erkennbar in bestimmten Zusammenhängen auf oder Betroffene kennen die eigentlichen Auslöser nicht.
Diese Form der Panikstörung sollte unbedingt therapiert werden. Sich wiederholende Panikattacken können durch den Angst-vor-der-Angst-Mechanismus in der Anzahl und Intensität der Symptome zunehmen.
Dann wird die Panik zu einer Krankheit, die das gesamte Leben überschattet und normale Sozialkontakte oder ein erfülltes Leben fast unmöglich macht.
Eigenmaßnahmen und ärztliche Behandlung der Panikattacke
Wer nur gelegentlich an Panik und diffusen Ängsten leidet, kann sich selbst durch einfache Maßnahmen helfen:
- ausreichend Schlaf
- gesundes Essen
- Meditation und Achtsamkeit
- Atemübungen
- Ruhezeiten einhalten (Entschleunigung).
Wo Reize und auslösende Situationen bekannt und vermeidbar sind, sollte dies natürlich erfolgen. Es gibt auch Hinweise, dass bestimmte Formen der Ernährung (einfache Kohlenhydrate und Zucker) sowie der Missbrauch von Alkohol und starken Stimulanzen wie Kaffee die Ausbildung von Angst und Panik fördern.
Wer unter einer Panikstörung leidet und schwere begleitende Symptome entwickelt, sollte sich erfahrene Unterstützung suchen.
Therapeuten arbeiten mit Techniken wie:
- Gesprächstherapie zur Bewusstwerdung.
- Verhaltenstherapie, um neue Verhaltensmuster zu etablieren.
- Desensibilisierungen für bestimmte Situationen.
- Hypnose, um mit Unbewussten zu arbeiten.
- EMDR zur Auflösung von Traumata.
Nur in sehr seltenen und sehr ausgeprägten Formen einer Angststörung mit Panikattacken werden Ärzte Medikamente verschreiben. Zum Einsatz kommen Wirkstoffe, die angstlösend (anxiolytisch), beruhigend und einschläfernd (sedativ) und/oder entspannend (muskelrelaxierend) wirken.
In leichten Fällen können auch pflanzliche Mittel wie Bachblüten, der Hanfwirkstoff Cannabidiol (CBD), Baldrian und Hopfen Entspannung und körperliches Wohlgefühl bringen.