Mirtazapin ausschleichen

Mirtazapin ausschleichen - wie geht's am besten? (© lyricsai / stock.adobe.com)

Warum wird eigentlich immer betont, dass man das Medikament Mirtazapin ausschleichen soll, statt es einfach abzusetzen? Es gibt darauf zwei Antworten. Die Gründe lauten in Kurzfassung: der Gewöhnungseffekt und die Wirkung von Mirtazapin. Beide stellen einen gewichtigen Grund dar, warum man Mirtazapin ausschleichen und nicht einfach absetzen sollte. Schauen wir uns das mal näher an.

Mirtazapin ausschleichen – wegen seiner spezifischen Wirkung

Viele Medikamente werden zu Recht als Droge bezeichnet. Sie sind daher verschreibungspflichtig und müssen von einem Facharzt verordnet werden. Im Fall von Mirtazapin handelt es sich um ein serotonerg und noradrenerg wirkendes Antidepressivum (NaSSA). Der Tabletten-Wirkstoff koppelt sich im Gehirn an die Rezeptoren von zwei Botenstoffen an: von Serotonin und Noradrenalin. Durch diese Einflussnahme wird die Signalübertragung im Gehirn verändert.

Eingriffe in das Gehirn bzw. dessen komplexe Prozesse ziehen Nebenwirkungen und Gewöhnungseffekte nach sich. Der Patient muss solche Medikamente einschleichen, um keine massiven Nebenwirkungen zu erleben. Die erste Dosiserhöhung kann erst nach einiger Zeit vorgenommen werden. Nach dem Behandlungs-Abschluss muss der Patient das Mirtazapin ausschleichen, weil das plötzliche Absetzen eine Flut von Absetz-Symptomen lostreten würde.

Zudem wird durch ein plötzliches Absetzen des Wirkstoffes der gesamte Behandlungserfolg in Frage gestellt. Das würde bedeuten, dass alles von vorne losgeht. Andernfalls droht ein Rezidiv bzw. ein Rückfall in die behandelte Symptomatik. Die meisten Antidepressiva müssen daher ausgeschlichen werden (siehe: Antidepressiva ausschleichen). Kritisch anzumerken ist, dass das Ausschleichen des Wirkstoffes nach Ansicht einiger Forscher bisher viel zu schnell geschieht.

Untersuchungen ergaben, dass ein deutlich langsamerer Ausschleich-Prozess die Symptomlast erheblich verringert. Die Absetzsymptome werden von vielen Patienten als schwer bis unerträglich wahrgenommen. Die Ärzteschaft hält das offensichtlich oft für Übertreibung. Sie betrachtet vor allem den hohen Nutzen solcher Medikamente. Nun möchten aber viele Patienten wegen der unangenehmen Nebenwirkungen oder einer kritischen Einstellung ihr Antidepressivum absetzen. Sie tun dies oft eigenmächtig, ohne den behandelnden Arzt zu informieren (vgl.: Antidepressiva absetzen oder vgl. auch: Sertralin absetzen).

Das Ergebnis dieser Entscheidung sind Absetzsymptome und Entzugserscheinungen. Diese können den Betroffenen ängstigen, überfordern und in die Erkrankung zurück katapultieren. Es wäre klüger gewesen, das Mirtazapin langsam auszuschleichen.

Mirtazapin ausschleichen - wie geht's am besten? (© lyricsai / stock.adobe.com)
Mirtazapin ausschleichen – wie geht’s am besten? (© lyricsai / stock.adobe.com)

Mirtazapin ausschleichen – wegen des Gewöhnungseffektes

Mirtazapin macht nicht abhängig, wie es eine Rauschdroge täte. Doch der Organismus erlebt durch den eingenommenen Wirkstoff eine Gewöhnung. Er muss also später entwöhnt werden, was einem Entzug von süchtig machenden Rauschdrogen ähnelt. Die Angst vor einer späteren Sucht ist unberechtigt. Der Ge- und Entwöhnungsprozess solcher Medikamente muss aber mehr Beachtung finden. Auch bei der Ärzteschaft.

Moderne Antidepressiva, die in den Gehirnstoffwechsel eingreifen, sind äußerst wirksam (vgl. auch: Wann wirkt Mirtazapin gegen Angst?). Doch sie beinhalten auch gewisse Probleme. Dazu gehören teils erhebliche Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Kontraindikationen und Entzugs- bzw. Absetzerscheinungen. Wer das Mirtazapin ausschleichen soll, sollte sich daran halten. Es ist zu seinem eigenen Besten. Der gleiche Rat gilt auch für andere Antidepressiva (vgl. auch: Opipramol ausschleichen oder Escitalopram ausschleichen, Escitalopram absetzen) – und das aus gutem Grund.

Eingriffe in den komplexen Hormon- oder Gehirnstoffwechsel sind immer mit Vorsicht vorzunehmen. Sie haben starke Auswirkungen, die man behutsam steuern muss. Tut der behandelnde Arzt das, haben solche Medikamentenwirkstoffe bei bestimmten Erkrankungen eine positive Wirkung auf den Krankheitsverlauf. Wenn nun ein Patient das verordnete Medikament eigenmächtig absetzt, kann er nicht gesunden. Folgt er dem ärztlichen Rat, das Mirtazapin auszuschleichen, geht es ihm besser. Der Betroffene riskiert keinen Rückfall.

Welchen Vorteil hat es, das Mirtazapin ausschleichen zu wollen?

Das langsame Ausschleichen des Wirkstoffes mit geringen Dosisabsenkungen ermöglicht, gegebenenfalls eine Dosis länger beizubehalten. Dies ist sinnvoll, wenn der Organismus durch die Dosisabsenkung stark gestresst ist (vgl. auch: Sertralin ausschleichen).

Der behandelnde Arzt wartet, bis die Gewöhnung an die neue Dosis eingetreten ist. Dann wird der Entwöhnungsprozess fortgesetzt. Treten unterwegs erneut Depressionen auf, kann die leicht abgesenkte Dosis des tetrazyklischen Antidepressivums vorerst beibehalten werden. Möglicherweise genügt diese Dosis, um den weiteren Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Ist das nicht der Fall, muss die Dosis wieder angehoben werden – aber nur um den Grad der bisher vorgenommenen Dosisabsenkung.

Dieses Verfahren ist vorteilhaft für den Patienten. Durch das langsame Ausschleichen des Mirtazapins wird das Gehirn behutsam auf die geringeren Medikamentendosen vorbereitet. Es reagiert nicht so irritiert auf die Entwöhnung (online finden sich Berichte rund um Aspekte wie „Schlaflosigkeit“, „Gewicht“ respektive „Gewichtsabnahme“, „Muskelschmerzen“, „innere Unruhe“ bis hin zu „Herzrasen“, „Durchfall“, „Kopfschmerzen“ und „Juckreiz“). Zugleich können der bisherige Krankheitsverlauf analysiert und der bereits eingetretene Gesundungsprozess beobachtet werden. Falls dieser noch nicht so weit fortgeschritten ist wie gedacht, kann der behandelnde Arzt darauf reagieren. Es gibt also gute Gründe, warum ein Patient das Mirtazapin ausschleichen soll.

Durch das Ausschleichen sind die teils heftigen Entwöhnungs-Symptome leichter zu ertragen. Die Ärzteschaft sollte die Entwöhnungs-Symptome von Mirtazapin und anderen Antidepressiva zukünftig ernster nehmen. Sie belasten die meisten Patienten stark. Statt sich durch das Behandlungs-Ende endlich besser zu fühlen, fühlen viele Patienten sich durch die Entwöhnung schlechter. Wurden sie darauf nicht ausreichend gut vorbereiten, wenden sie sich oft verzweifelt an Leidensgenossen in einem Online-Forum. Der Beipackzettel verängstigt die Betroffenen mehr als alles andere. Er wird daher oft nicht gelesen.

Wie relevant sind Informationen aus dem Internet?

Das Internet ist eine gute Informationsquelle, sofern man seriöse Quellen nutzt. Woran man diese erkennen kann, wissen die meisten Menschen nicht. Sie sollen Mirtazapin ausschleichen und haben Fragen dazu. Allein die Liste der häufigen Suchanfragen zum Thema spricht für sich:

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Der Ansprechpartner für sämtliche Fragen sollte der behandelnde Arzt sein. Tatsächlich beantworten viele Mediziner Patientenfragen nicht zur Zufriedenheit. Leider finden sich unter den Leidensgenossen auch solche, die blanken Unsinn erzählen, sich lustig machen oder bewusst Fehlinformationen lancieren. Diese können im Interesse der Pharmaindustrie oder anderer Instanzen sein. Wenn jemand also behauptet, man könne das Mirtazapin nach zehn Behandlungsjahren einfach absetzen, ist das Blödsinn. Kein Arzt wird einer so langen Behandlungsdauer mit Mirtazapin zustimmen oder ein abruptes Absetzen empfehlen.

Wer behauptet, er habe dieses Medikament über zehn Jahre eingenommen und beim Absetzen Null Probleme gehabt, lügt schlichtweg. Er redet den Menschen das Wort, die das Medikament in Eigenregie ausschleichen oder abrupt absetzen wollen. Die Folgen davon trägt allerdings sein Gegenüber. Wenn jemand das Mirtazapin wegen Gewichtszunahme oder Wirkungslosigkeit absetzen möchte, sollte er mit seinem Arzt sprechen. Es gibt verträglichere und effektivere Alternativen. Das Mirtazapin muss jedoch erst ausgeschlichen werden. Anschließend kann ein anderes Antidepressivum verordnet und eingeschlichen werden.

Quellen:

  • Mirtazapin absetzen
  • de.wikipedia.org/wiki/Mirtazapin
  • gesundheitsdoc.com/mirtazapin/
  • soulapy.de/psychopharmaka/mirtazapin-antidepressivum/
  • pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Mirtazapin
  • gelbe-liste.de/wirkstoffe/Mirtazapin_22253
  • aerzteblatt.de/archiv/207288/Absetz-und-Rebound-Phaenomene-bei-Antidepressiva
  • arznei-news.de/antidepressiva-absetzen-erfahrung/