Sertralin ausschleichen

Sertralin ausschleichen (© laurencesoulez / stock.adobe.com)

Sertralin ausschleichen – oder direkt absetzen? Welche Erfahrungen gibt es?

Sertralin ist ein Antidepressivum aus der Klasse der SSRI. Dieses Medikament wird inzwischen weniger oft bei Depressionen, dafür aber umso erfolgreicher bei Angsterkrankungen und Zwangsstörungen verordnet. Auch Patienten mit einem posttraumatischen Belastungssyndrom werden damit erfolgreich behandelt. Nach dem Behandlungsende sollen die Patienten das Sertralin ausschleichen.

Das macht Sinn, denn SSRI-Hemmer greifen in hirnorganische Prozesse ein: in diesem Fall in den Serotonin-Stoffwechsel. Diese Medikamente sorgen dafür, dass der Serotonin-Spiegel im Gehirn gleichbleibend hoch ist. Das Serotonin – ein Neurotransmitter – soll nicht so schnell abgebaut werden, wenn es seine Aufgaben erfüllt hat. Damit soll sich die Stimmungslage verbessern. Angstsymptome und Zwangsstörungen sollen sich unter dem Einfluss des Serotoninhydrochlorids bessern. Auch Flashbacks und Panikattacken beim PTBS-Syndrom lassen sich so beheben.

In der ersten Zeit der Einnahme kommt es zu mehr oder weniger starken Nebenwirkungen (vgl. Sertralin Nebenwirkungen). Der Wirkungseintritt des Sertralins ist allerdings verzögert. Die Übergangszeit kann belastend für die Patienten sein. Sollen die Betroffenen das Sertralin ausschleichen, hat der Organismus sich bereits an das Medikament gewöhnt. Der Entzug ist zwar nicht im Sinne einer Suchtmittelabhängigkeit zu sehen, aber eine Gewöhnung an den Wirkstoff ist eingetreten. Daher sollte der Patient das Sertralin ausschleichen.

Mit dem langsamen Ausschleichen werden die typischen Absetz- und Entzugsbeschwerden von SSRI-Antidepressiva abgemildert. Der Unterschied zwischen dem kontrollierten Ausschleichen und dem plötzlichen Absetzen solcher Medikamente kann beträchtlich sein (siehe: Antidepressiva ausschleichen, Antidepressiva absetzen). Die Massivität und die Dauer der Entzugs-Symptome unterscheiden sich erheblich. Ein eigenmächtiges Absetzen solcher Medikamente kann den Krankheitsverlauf auf Anfang zurückdrehen.

Warum sollte man Sertralin ausschleichen statt absetzen?

Antwort: Weil es deutlich schonender für den Patienten ist. Einige Forscher gehen davon aus, dass man SSRI-Medikamente wie Sertralin sogar deutlich langsamer ausschleichen sollte als es bisher geschieht. Bisher wurden die Absetzerscheinungen von Antidepressiva oft nicht besonders wichtig genommen. Mediziner sehen oft eher die damit möglichen Behandlungserfolge. Die Sicht auf den Leidensdruck der Patienten ist zwar vorhanden. Aber die Beschwerden, die das Einschleichen und das Ausschleichen verursachen, werden als hinnehmbar und unabänderlich angesehen. Das ist aber nicht wahr.

Würde man solche Medikamente langsamer ein- und ausschleichen und den Patienten sofort ein Übergangsmedikament oder einen Therapieplatz zur Seite stellen, wäre ihr Leiden schon abgemildert. Doch das Antidepressivum soll möglichst schnell anschlagen. Es wird oft in der zweitstärksten Dosis verordnet und hat entsprechende Nebenwirkungen. Soll der Patient das Sertralin ausschleichen, wird dieser Prozess meist nicht über eine ausreichend lange Zeit ausgedehnt. Ungeduldige Patienten kommen dann auf die Idee, das Präparat einfach abzusetzen.

Fakt ist: Geschätzt die Hälfte aller mit Sertralin und ähnlichen Medikamenten behandelnden Klienten bricht die Therapie eigenmächtig ab. Statt das vom Arzt verordnete SSRI-Medikament einzunehmen, nehmen viele Patienten lieber die Symptome ihrer Krankheit in Kauf. Vielleicht liegt darin für manchen ein Krankheitsgewinn. Vielleicht findet mancher Patient Krankheitssymptome erträglicher als Medikamenten-Nebenwirkungen. Manchmal ist das Medikament auch unverträglich. Doch wie es auch sei: Der Ratschlag, das Sertralin auszuschleichen, ist ein guter Rat.

Sertralin wirkt überzeugend gut. Es macht daher wenig Sinn, seine Nebenwirkungen durch die verschriebene Dosis so geballt abzubekommen, dass man nie wieder ein Antidepressivum einnehmen würde. Die Patienten sollen diese Medikamente ja als hilfreich begreifen können. Bei einem Rückfall sollte ein Angst- oder Zwangspatient vertrauensvoll zum Arzt gehen und gegebenenfalls einwilligen, erneut Sertralin einzunehmen.

Sertralin ausschleichen (© laurencesoulez / stock.adobe.com)
Sertralin ausschleichen: Wie am besten? (© laurencesoulez / stock.adobe.com)

Der Umgang mit Antidepressiva ist nicht optimal

Es macht Sinn, Antidepressiva per Plan ein- und auszuschleichen und sich dafür Zeit zu nehmen. Bedauerlicherweise ist der Wirkungseintritt von Medikamenten der SSRI-Klasse verzögert. Bei jeder Erkrankung tritt die Wirkung zu einem anderen Zeitpunkt ein.

Doch ein Medikament wie Sertralin deshalb vorzeitig absetzen zu wollen, ist nicht sinnvoll (vgl. auch: Sertralin absetzen). Gleiches gilt für Antidepressiva wie Mirtazapin oder Opipramol (vgl. auch: Mirtazapin ausschleichen, Opipramol ausschleichen). Wichtig scheint zu sein, dass die Ärzteschaft die Patienten ausreichend über die verzögerte Wirkung und die eintretenden Nebenwirkungen informiert. Auch über den Prozess des Einschleichens und des Ausschleichens von Antidepressiva müsste besser aufgeklärt werden. Der Unterschied zwischen Gewöhnung und Abhängigkeit muss erläutert werden.

Vor allem aber müssen das Ein- und Ausschleichen von Antidepressiva zukünftig wesentlich langsamer passieren. Dosisabsenkungen binnen eines Zeitraums von vier Wochen genügen oft nicht. Zwei oder drei Monate wären sinnvoller, in Einzelfällen auch mehr. Hier muss ein Umdenken passieren. Vor allem müssen mehr Therapieplätze zur Verfügung gestellt werden. Die Pharmaindustrie muss verträglichere Übergangs- und Notfallmedikamente entwickeln. Auch psychisch kranke Patienten müssen auf Augenhöhe behandelt werden.

Wenn eine Ärztin einer Patientin empfiehlt, das Medikament wegen Unverträglichkeit oder starker Absetzbeschwerden beim Ausschleichen einfach abzusetzen, wie in einem Forumseintrag geschildert, dann muss man die fachliche Kompetenz dieser Medizinerin in Frage stellen. Untersuchungen stellen klar, dass die meisten mit Antidepressiva behandelten Patienten stark oder sehr stark unter Nebenwirkungen und Absetz-Symptomen leiden. Der Umgang mit Sertralin und anderen SSRI-Hemmern, mit MAO-Hemmern oder Trizyklischen Antidepressiva sollte überdacht werden.

Wenn Patienten solchen Medikamenten vertrauen sollen, müssen sie das auch können. Verzweifelte Forumseinträge und Fragen an Leidensgenossen zeichnen aber ein anderes Bild von der Qualität der Aufklärung über Nebenwirkungen und Entzugs-Symptome (vgl. auch: Escitalopram absetzen / Escitalopram ausschleichen, Opipramol ausschleichen). Berechtigte Kritik muss ein Grund für Veränderungen sein. Eine Behandlungsstrategie, bei der geschätzte 50 Prozent der Patienten das verordnete Medikament schon nach kurzer Zeit absetzen wollen, ist gescheitert. Es wäre ein schließlich Leichtes, die Behandlung der Betroffenen zu verbessern.

Da immer mehr Antidepressiva verordnet werden und die Psyche der Menschen immer stärker belastet wird, sollte das Aufrechthalten der bisherigen Behandlungs-Strategien überdacht werden. Nichts spricht gegen Medikamente wie Sertralin – aber einiges gegen den bisherigen Umgang der Ärzteschaft damit.

Quellen: