Sertralin absetzen: Was Sie wissen und beachten sollten

Sertralin absetzen? (© Lars Zahner / Fotolia)

(Wie/wann) Darf man Sertralin absetzen?

Grundsätzlich gilt: Ein Psychopharmakon gegen Depressionen, Angst- und Zwangserkrankungen oder PTBS-Beschwerden darf normalerweise nicht eigenmächtig abgesetzt werden. Das gilt für SSRI-Hemmer ebenso wie für trizyklische Antidepressiva. SSRI-Hemmer wie Sertralin greifen in den Serotonin-Stoffwechsel im Gehirn ein (siehe auch: Sertralin Wirkung). Sie hemmen einen Mechanismus, durch den das im Hirn anwesende Serotonin wieder in die Neuronen aufgenommen wird. Damit wird eine längere Anwesenheit von Serotonin, einem hormonellen Stimmungsaufheller, erreicht.

Der geltenden Theorie nach führt in vielen Fällen ein Mangel an Serotonin – einem wichtigen Botenstoff im Gehirn – zu den vorliegenden Beschwerden. Daher gelten die Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) als Standard-Therapie bei Depressionen, Angst- und Zwangserkrankungen und dem posttraumatischen Syndrom (PTBS). Typisch ist bei Sertralin jedoch, dass der Wirkungseintritt bei jeder Erkrankungsform unterschiedlich verzögert erfolgt (vgl. Sertralin Wirkungseintritt). Gegebenenfalls muss eine medikamentöse Übergangsbehandlung eingeleitet werden. Auf einen Psychotherapieplatz muss man heutzutage leider sehr lange warten.

Darf man das Sertralin absetzen, bevor es wirkt?

Mancher möchte das Sertralin absetzen, bevor es seine Wirkung entfaltet. Der Grund: starke Sertralin Nebenwirkungen. Mediziner sprechen auch von einer Sertralin Erstverschlimmerung. Diese ist normal, auch wenn sie sich dramatisch anfühlen kann. Darunter finden sich auch Symptome, die man vorher nicht hatte. Diese Phase kann – je nach Erkrankung und Anfangsdosis – zwischen zehn Tagen und acht Wochen dauern. Der Arzt sollte seine Patienten darüber aufklären.

Eine Erstverschlimmerung ist für die Betroffenen ebenso verunsichernd wie belastend. Sie macht manchem sogar Angst. Zahlreiche Foreneinträge verzweifelter Menschen im Internet sprechen diesbezüglich eine deutliche Sprache. Doch alle verzweifelt um Hilfe Nachsuchenden erleben, dass erfolgreich mit Sertralin behandelte Patienten ihnen zum Durchhalten raten. Der Rat erfahrener Sertralin-Patienten lautet: Auf keinen Fall das Sertralin absetzen. Es wirkt – und nach der belastenden Einschleichphase wird alles besser. Das ist zwar ein schwacher Trost für viele der Betroffenen, aber es ist die Wahrheit. Siehe auch: Sertralin Erfahrungsberichte.

Jeder, der Sertralin verordnet bekommt, muss durch diese Durststrecke durch. Der Grund für die anfänglich auftretenden Nebenwirkungen sind Mechanismen, die durch den Wirkstoff Sertralinhydrochlorid im Serotonin-Stoffwechsel des Gehirns ausgelöst werden. Selbst bei geringer Dosis macht sich das durch zahlreiche irritierende Effekte und Symptom-Verschlimmerungen bemerkbar. Bereits vorhandene Symptome können sich etwas verschlimmern. Neue Symptome können dazu kommen. Gegebenenfalls sollte man das Gespräch mit dem behandelnden Arzt suchen. Vielen Betroffenen hilft es aber auch, sich wegen der Erstverschlimmerung in Onlineforen Rat bei Leidensgenossen zu holen.

Quellen:

  • fragen.lifeline.de/expertenrat/frage/Expertenrat-Depression-Burnout-Stress/Habe-ich-eine-Erstverschlimmerung-durch-Sertralin-?threadId=15104116
  • justanswer.de/medizin/ie1b2-tage-sertralin-genommen-und-wieder-abgesetzt-weil-sehr.html
  • doktorweigl.de/medikamente/sertralin-das-antidepressivum-wirkung-nebenwirkung-und-anwendungsgebiete-11615/
  • arznei-news.de/verschlechterung-durch-antidepressiva/

Darf man Sertralin absetzen, wenn eine Dauermedikation erfolgt?

Auch hier lautet die Antwort: Besser nicht. Eigenmächtig sollte man einen SSRI-Hemmer wie Sertralin nicht absetzen. Gleiches gilt für andere Antidepressiva und Psychopharmaka. Moderne Antidepressiva greifen in jedem Fall in organische Prozesse ein, die man nicht sich selbst überlassen darf. Der behandelnde Arzt muss ein kontrolliertes Ausschleichen des Wirkstoffes über mindestens einen oder zwei Monate vornehmen (vgl. Opipramol ausschleichen). Ob das angezeigt ist, ist jedoch eine individuelle Entscheidung. Jeder Fall ist ein Einzelfall.

Häufig fürchten Mediziner, dass der mit Sertralin behandelte Patent durch das Absetzen des Medikaments einen Rückfall erleidet. Das kommt tatsächlich häufig vor – und zwar bei ungefähr der Hälfte der Patienten (vgl. Antidepressiva absetzen). In diesem Fall ist die Lage prekär, denn es ist keine echte Besserung eingetreten. Stattdessen ist ein Rückfall (Rezidiv) eingetreten. Der Patient ist erneut depressiv, suizidgefährdet, angstgepeinigt oder er leidet an PTBS-Flashbacks. Er sollte daher mit Sertralin weiterbehandelt werden.

Sertralin absetzen? (© Lars Zahner / Fotolia)
Sertralin absetzen? (© Lars Zahner / Fotolia)

Das Problem: Es ist bisher nicht wissenschaftlich erwiesen, dass Dauerbehandlungen mit Sertralin immer gerechtfertigt sind. Andererseits gibt es nur wenige Alternativen. Angstpatienten können zwar eine kognitive Verhaltenstherapie absolvieren. PTBS-Betroffene könnten eine Traumatherapie beginnen. Außerdem könnte eine andere Therapieform möglicherweise auch depressiven Menschen helfen. Der Knackpunkt ist aber die immens lange Wartezeit auf Therapieplätze.

Hinzu kommt: Mit einem serotonerg wirkenden Medikament wie Sertralin werden keine leichten Fälle behandelt. Wenn ein schwer depressiver, suizidaler oder traumatisierter Patient also nach gewisser Zeit das Sertralin absetzen möchte, kann das unabsehbare Folgen haben. Dieses Risiko möchten viele Ärzte nicht eingehen. Daher setzen manche Patienten, die kritisch gegen eine Dauermedikation eingestellt sind, das Medikament eigenmächtig ab. Mit teils schlimmen Folgen.

Quellen:

  • soulapy.de/psychopharmaka/sertralin/
  • arznei-news.de/verschlechterung-durch-antidepressiva/
  • aerzteblatt.de/archiv/211336/Antidepressiva-Ungeahnte-Effekte-der-Therapie

Welche Effekte hat eine Sertralin-Absetzung typischerweise?

Viele Arzneimittelwirkungen von Antidepressiva sind als Nebenwirkungen und Wechselwirkungen bekannt. Zudem sind Kontraindikationen zu beachten. Im Fokus des Interesses sind in neuerer Zeit auch die Effekte, die durch das Absetzen eines Antidepressivums hinzunehmen sind. Je nach Medikament sind die Absetzerscheinungen unterschiedlich stark (vgl. auch: Mirtazapin absetzen, Opipramol absetzen, Escitalopram absetzen).

Entzugserscheinungen und Absetzphänomene mit Bezug auf Antidepressiva und Psychopharmaka sind bereits seit den 1960er Jahren bekannt. Dennoch fehlt es auch heutzutage an Langzeitstudien, die solche Effekte für jedes einzelne Medikament unter die Lupe nehmen. Man vermutet, dass ein Drittel der mit Psychopharmaka behandelten Patienten die Medikation wegen der Nebenwirkungen binnen eines Monats beendet. Die Hälfte der Betroffenen beendet sie mit Ende des dritten Monats. Das geschieht meist ohne Kenntnis der damit ausgelösten Prozesse und Entzugserscheinungen (siehe Antidepressiva absetzen).

Eine dänische Studie ergab, dass eine nationale Telefon-Hotline für medizinische Fragen wegen Absetzsymptomen nach der Einnahme von Antidepressiva überdurchschnittlich häufig angewählt wurde. Die fachkundige Aufklärung über Entzugssymptome und Absetzerscheinungen wird offensichtlich häufiger dem Beipackzettel des verordneten Medikaments überlassen. Das ist ein Fehler, denn das Lesen derselben unterbleibt oft – oder die Masse der aufgelisteten Nebenwirkungen machen Angst.

Quellen:

  • Antidepressiva ausschleichen
  • psychotherapiepraxis.at/pt-forum/viewtopic.php?t=1223
  • psychic.de/forum/medikamente-angst-panikattacken-f76/sertralin-ausschleichen-absetzen-t110951.html
  • gesundheit.de/medizin/wirkstoffe/antidepressiva/sertralin-gegen-depressionen
  • youtube.com/watch?v=J6rqnjMAMM4

Entzugssyndrom, Rebound-Phänomen oder Rezidiv der Grunderkrankung

Generell zu unterscheiden sind ein Entzugssyndrom vom Rebound-Phänomen und von einer Rückkehr der Grunderkrankung. Diese Unterscheidung ist nach dem Absetzen eines Antidepressivums wichtig. Bei den sogenannten „transienten“ Absetzphänomenen kann man abwarten oder symptomatisch therapieren. Bei einem Rezidiv der Grunderkrankung muss aber die Medikation erneuert werden. Bei Rebound-Risiken nach dem Absetzen müssen die Aufklärung des Patienten und die Indikationsstellung besonders sorgfältig vorgenommen werden.

Das „akutes Absetzsyndrom“ oder Entzugssyndrom ist bei Antidepressiva inzwischen als eigenständiges Syndrom erkannt worden. Die damit auftretenden Symptome werden in einer standardisierten Checkliste – der „discontinuation-emergent signs and symptoms“-Liste (DESS) erfasst. Manche der gelisteten Symptome sind die der Grunderkrankung. Andere müssen davon unterschieden werden. Die Absetz-Symptome bei den selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern (SSRI) sind gut untersucht. Nur Fluoxetin gilt beim Absetzen wegen seiner langen Halbwertszeit als relativ unproblematisch. Bei Sertralin, Citalopram und Escitalopram werden eher niedrige Risiken für das Auftreten von DESS-Symptomen gesehen.

Trotzdem sollten diese Medikamente lieber ausgeschlichen als abrupt abgesetzt werden. Bei Paroxetin erzeugt das abrupte Absetzen erhebliche Beschwerden. Ähnlich sieht es bei anderen Antidepressiva – etwa den selektiven Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmern oder den trizyklischen Antidepressiva aus. Ohne Kenntnis solcher Präparate sollte man das eigenmächtige Absetzen unterlassen. Teilweise bestehen hohe Risiken beim Absetzen solcher Medikamente.

Quellen: