Einst eine angesehene philosophische und naturwissenschaftliche Tradition, wurde Grübeln zu einem Übel der Gegenwart. Während exzessives Gedankenkreisen und ständiges Nachdenken im 18. Jahrhundert noch als schick galten, ist es heute eine störende Begleiterscheinung von Depressionen und negativen Geisteshaltungen.
Was versteht man genau unter Grübeln?
Das Wort Grübeln kommt von „graben“. Damit ist gemeint, dass sich der Denker geistig in die Tiefe einer Thematik vergräbt. In der modernen Psychologie wurde auch der Begriff Rumination verwendet, was „wiederkäuen“ bedeutet.
Ganz anders als beim zielgerichteten Nachdenken sind die Gedanken bei einer Grübelei diffuser und zerstreuter. Die Themen sind oft abstrakt und vage, die Gedankengänge können sonderbare Kreise drehen.
Manchmal besteht das Problem, über das gegrübelt wird, gar nicht oder es wird weiter über eine Sache oder einen Umstand nachgedacht, der eigentlich nicht wichtig ist oder praktisch lösbar wäre.
Ein Beispiel: Nach dem Wechsel eines Arbeitsplatzes grübelt jemand über die Umstände des Wechsels und die Ereignisse, die dort stattgefunden haben. Dabei wäre das eigentlich notwendig. Derjenige oder diejenige hat eine neue Arbeit gefunden und war über den Wechsel froh. Trotzdem können bestimmte psychische Mechanismen dafür sorgen, dass ständig Eindrücke, Emotionen oder Bilder über Vergangenes auftauchen, die dann Anlass zum Grübeln geben.
Von der geistigen Meisterleistung zur Krankheit
Im 18. und 19. Jahrhundert galt das Grübeln als eine gewinnbringende Geistesbeschäftigung. Die Naturwissenschaften, die Philosophie, Denker, Gesellschaftskritiker usw. grübelten ausführlich über Naturmysterien, Gesellschaftliches, Aktuelles und den Zustand des eigenen Gemüts.
Das krankhafte und belastende Gedankenkarussell beschrieb Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals der deutsche Neurologe und Psychiater Wilhelm Griesinger. Siehe auch: Neurologe Psychiater Unterschied.
Heute sind Grübeleien problematische Begleiterscheinungen von depressiven Verstimmungen, negativen und belastenden Gemütszuständen sowie ernsthaften Depressionen (siehe auch: Was ist eine Major Depression?).
Die moderne Psychologie sieht im Grübeln, einen fehlgeleiteten Versuch, Probleme zu lösen oder den eigenen Gemütszustand zu verändern. Typisch für das Grübeln sind dessen Zunahme in Konflikt-, Stress- oder Krisensituationen sowie die negativen Inhalte der Grübeleien.
Warum Grübeln nicht zu Lösungen führt
Grübeln gestaltet sich meistens so, dass ein belastender Gedanke oder ein übles Gefühl auftauchen. Der Gedanke wird dann geistig zerkaut: Es tauchen verschiedene Wertungen und Sichtweisen auf, eine Sache könnte so oder auch anders sein. Kommt ein Grübler kurzzeitig zu einem Ergebnis, taucht auch schon ein geistiger Einwand oder ein neuer Aspekt auf und die Grübelei geht weiter.
Typisch für das Grübeln ist die Selbstverlorenheit. Wenn das Gedankenkarussell ein Problem nach dem anderen servieren, verfallen viele Betroffene in eine Art Trance. Sie lassen sich von den eigenen Gedanken immer wieder von ihrer wahren persönlichen Haltung oder der gesunden Sichtweise einer Situation wegtragen.
Diese Versunkenheit kann von manchen Menschen tatsächlich als angenehm empfunden werden. Sie wirkt wie eine Selbsthypnose und kann wie bei den Denkern der Romantik eine Art heimeliges Gefühl auslösen.
Dabei stecken hinter Grübelattacken immer Aspekte wie Unzufriedenheit, Angst und Schuldgefühle.
Fatalerweise werden Probleme durch die Grübelfalle geradezu aufrechterhalten. Wenn Grübeln einen Großteil der geistigen Fähigkeiten besetzt, werden im Gehirn die neuronalen Verknüpfungen trainiert, die mit Negativität, ständigem Nachdenken und einem verqueren Belohnungseffekt durch das Grübeln in Verbindung stehen. In der Tiefe nährt das Gedankenkarussell weiter negative Gefühle.
Für einen ansonsten gesunden Menschen, der sich momentan in einer Krise befindet, kann das die Ausdehnung der Krise bedeuten.
Betroffene von Depressionen und anderen mit Negativität einhergehenden Persönlichkeitsstörungen können durch das Grübeln ihrer Krankheit immer neue Schubkraft geben.
Zwanghaftes Nachdenken: Was hilft gegen Grübeln?
Grübeln muss nicht sofort eine Krankheit sein und muss auch nicht zwingend von einem Therapeuten behandelt werden.
Lediglich wenn Gedankenzwänge und Denkschleifen mit schlimmen depressiven Phasen, Selbstmordabsichten oder anderen Extremsituationen einhergehen, müssen Betroffene so schnell wie möglich professionelle Hilfe suchen. Vgl. auch: Schlechte Gedanken vertreiben.
Was pathologischen Grübels genau ist und wie es behandelt wird, erläutert Prof. Dr. Thomas Ehring.
In leichten Fällen der depressiven Verstimmung, bei allgemeiner Traurigkeit, geistiger Überlastung, Stress oder in Krisen helfen eine ganze Reihe von Tipps und Techniken Grübeln zu stoppen.
Bewusstwerdung und Selbstbeobachtung
Am Anfang steht immer ein Prozess der bewussten Wahrnehmung geistiger Abläufe (vgl. Selbsterkenntnis):
Womit ist der Kopf eigentlich gerade beschäftigt?
Alleine diese Frage kann einen nicht enden wollenden Denkstrom und Gedankenschleifen durch Achtsamkeit stoppen. Gleichzeitig findet eine Distanzierung, der wachen Geistesanteile von unbemerkt ablaufenden Mechanismen im Gehirn statt. Dann heißt es, eben diese Tätigkeiten des Kopfes und Gehirns immer weiter zu beobachten und immer wieder zu stoppen.
Mit der Grübelei verbundene Ticks und Verhaltensweisen erkennen
Grübeln stresst das Nervensystem und löst innere Spannungen aus. Nicht wenige Betroffene suchen Ausgleich, indem sie:
- Lippenpressen
- auf den Lippen herumbeißen
- Fingernägel kauen
- mit den Beinen zittern oder wippen
- innen auf den Backen herumkauen
- nervös auf- und abgehen.
Typisch ist auch das Zusammenziehen der Augenbrauen. Wer es schafft, die „Grübelfalte“ im Alltag zu beobachten und zu entspannen, kann dem exzessiven Denken effektiv begegnen und hässlichen Falten vorbeugen.
Fallen mit Grübeleien verbundenen Verhaltensweise auf, sollten diese durch Entspannung oder sofortige Ablenkung zunächst bewusst gestoppt werden.
Wer vor dem Fernseher nebenbei grübelt, kann aufstehen, ein paar tiefe Atemzüge nehmen oder einen erfrischenden Spaziergang machen.
Zugrunde liegende Ängste erforschen und auflösen
Die Denkschleife ist immer mit gemischten Gefühlen verbunden und die haben irgendeine Art von Angst als eigentlichen Auslöser.
Wer Grübelgedanken einmal analysiert wird nagende Fragestellungen wie diese finden:
- Ängste, etwas falsch gemacht zu haben.
- Angst, etwas Wichtiges übersehen oder verpasst zu haben.
- Angst, ein belastendes Ereignis könnte sich wiederholen.
- Ängste, dass bestimmte Wünsche oder Ziele nicht verwirklicht werden.
- Ängste, etwas ist nicht in Ordnung so wie es ist oder es gäbe besseres.
- Usw.
Ist die Angst einmal entdeckt, können Betroffene sie zum Beispiel mit der Klopftechnik EFT (Emotional Freedom Technique) behandeln.
Eine ausführliche Anleitung, Tipps sowie Hintergründe zum Thema Depression, Emotionen und Grübeln gibt der Life-Coach Peter Beer:
Meditation, Achtsamkeit und Gedankenhygiene
Alle drei Techniken zielen darauf ab, den Geist zu beruhigen, ihn von der Vergangenheit und der Zukunft in die Gegenwart zu holen und neue geistige Fähigkeiten zu fördern.
Die Meditation ist ein Zustand der bewussten geistigen Zentrierung und Lenkung der Aufmerksamkeit. Mit der Zeit nimmt die Gedankenspirale allgemein ab und weicht einer inneren Leere, in der Gefühle wieder besser wahrgenommen werden können und Zufriedenheit vorherrscht.
Mit etwas Übung kann auch über die Frage „Was hilft gegen Grübeln?“ meditiert werden.
Bei der Achtsamkeit werden auch im Alltag das Umfeld, eigene Emotionen und Ereignisse bewusst wahrgenommen. Damit werden Zeiten, in denen das Bewusstsein in Gedankenspiralen abgleiten kann, vermindert.
Wer Gedankenhygiene betreibt, wird mit etwas Übung bei bestimmten (auch zunächst unbewussten) Gedanken hellhörig und verändert negative Gedanken in positive. Das ist insbesondere vor dem Einschlafen ratsam, da die zuletzt gedachten Gedanken die Träume beeinflussen. Siehe Wie kann man schnell einschlafen?
Medikamente und Therapien bei Grübeln
Ob die Frage „Was hilft gegen Grübeln?“ auch mit Pharmazeutika beantwortet werden kann, ist streitbar.
Taucht Grübeln in Verbindung mit anderen Störungen auf, können angstlösende und entspannende Medikamente den Denkfluss und die negativen Gefühle tatsächlich unterbrechen.
Eine dauerhafte Lösung sind sie aber nicht. Leiden Betroffene an weiteren Beeinträchtigungen der geistigen und psychischen Gesundheit, wird die Medikation immer von Psychotherapie begleitet.
Wer nur ab und zu grübelt oder sein Gehirn Jahre oder Jahrzehnte einfach in einer schädlichen Art und Weise genutzt hat, sollte lieber zu sanften Methoden und den genannten Übungen und Tipps greifen.
Die Gedankenschleife mit Pflanzen beenden
Es gibt etliche Substanzen im Pflanzenreich, die Zustände der geistigen Ausgeglichenheit und Entspannung fördern.
Dazu zählen sämtliche Bachblüten, die nach persönlichen Merkmalen und Beschwerdebildern ausgesucht werden. Als die „Denkerblüte“ gilt White-Chestnut (weiße Kastanie), die für geistige Stille, Klarheit und ein bewusstes Lenken des Denkstromes steht.
Als wirksam gilt vielen Menschen auch das aus der Hanfpflanze gewonnene Cannabidiol (CBD). Die Substanz wirke extrem beruhigend und ausgleichend auf das Nervensystem. Anders als THC löst CBD keine rauschhaften psychoverändernden Zustände aus und ist als Nahrungsergänzungsmittel frei erhältlich.
Daneben bringen eine ganze Reihe weiterer bewährter Heilpflanzen Ruhe in den Kopf und hellen den Geist auf:
- Passionsblume
- Baldrian
- Hopfen
- Melisse
- Johanniskraut
Angewendet werden diese Pflanzen als Tee oder in Form von Tinkturen.