Zeit vergeht zu schnell – Angst!

Zeit vergeht zu schnell | Angst (© BBuilder / stock.adobe.com)
Zeit vergeht zu schnell | Angst (© BBuilder / stock.adobe.com)

Chronophobie – die Angst vor dem Vergehen der Zeit

Viele Menschen kennen das: Die Zeit scheint geradezu davonzurasen. Manchmal scheint es sogar so, als würde die Zeit mit dem Alter immer schneller vergehen. Doch das sind im Grunde nur Wahrnehmungsstörungen. Zeit und Zeitempfinden sind relative Größen.



Wie äußerst sich die Angst, dass die Zeit zu schnell vergeht?

Das Phänomen ist gar nicht so selten und trifft Menschen aller Altersklassen. Schon Kinder und Jugendliche kennen diese Form der Angst. Sie haben den beklemmenden Eindruck, ihre Lebenszeit könne ihnen davonrasen.

Neben dem reinen Gefühl des Zeitrasens können diese Eindrücke die Angst vor der Zeit begleiten:

  • Nicht genug Zeit für Lebenspläne zu haben.
  • Pflichten und Erforderliches nicht innerhalb einer bestimmten Zeit erledigen zu können.
  • Angst etwas zu verpassen (Torschlusspanik).
  • Zukunftsängste.
  • Angst vor dem Alter.
  • Angst frühzeitig zu sterben oder dem Tod allgemein.
  • Angst, die Lieben oder die Eltern durch den Tod zu verlieren.
  • Angst davor, kein erfülltes Leben leben zu können.
  • Angst vor Sinnlosigkeit.
  • Ein Gefühl, nie fertig zu werden.
  • Das Gefühl von der Zeit bestimmt oder diktiert zu werden.

Chronophobie – Bedeutung und Hintergründe

„Chrono“ ist eine griechische Vorsilbe für „Zeit“ oder „die Zeit betreffend“. Das Wort „Phobie“ stammt ebenfalls aus dem Griechischen und bedeutet „Furcht“. Zusammen ist es also die „Furcht vor der Zeit“ oder die „Angst vor der Zeit“.

In Realität betrifft diese Angststörung aber nicht die Zeit als solche, sondern das (zu) schnelle Vergehen der Zeit beziehungsweise Gefühle der Zeitknappheit und des Zeitdrucks.

Zeit kann uns ganz schön zu schaffen machen. Seit Uhren und Zeit unsere Tagesabläufe bestimmen, leiden Menschen häufiger unter Stress und psychischen Problemen.

Wir leben heute in einer sehr künstlichen Zeit, mit sehr vielen Anforderungen, die nicht mehr unserem natürlichen Wesen, unserem Biorhythmus und unserer inneren Uhr entsprechen.

Die Phobie vor dem Vergehen der Zeit hat Ihre Ursache also in einer Naturentfremdung, zu viel Druck, einem Übermaß an zu bewältigenden Sinneseindrücken, Pflichten und Regeln.

Bevor es Uhren gab, orientierten sich Menschen Dingen wie

  • dem Lauf von Sonne und Mond
  • der Veränderung von Sternbildern am Firmament
  • Veränderungen in der Natur
  • einem inneren Zeitgefühl, das eng mit der Intuition verbunden ist.

Heute nehmen Menschen vor lauter Stress und Zeitdruck die Natur und ihr Umfeld schon gar nicht mehr richtig wahr.

Was Zeit ist eigentlich genau?

  • Die Physik definiert Zeit als eine Größe, die die Abfolge von Ereignissen beschreibt.
  • Zeit bewegt sich immer voran und kann nicht umgekehrt werden.
  • Man kann die Zeit nicht sehen, aber die Abfolge von Ereignissen beobachten.
  • Zwischen den Ereignissen liegen Zeitspannen, die wir durch unsere Wahrnehmung „messen“ und bewerten. Wir nehmen die Zeit insbesondere dann wahr, wenn wir zwei oder mehrere Ereignisse vergleichen oder uns ein zukünftiges Ereignis herbeisehnen.

Albert Einstein und die Relativität der Zeit

Zeit kennt feste Maßeinheiten und Werte, die mit Uhren dargestellt werden können. Die Zeit bewegt uns aber viel mehr dadurch, welche Empfindungen sie bei uns auslöst.

Zeiträume werden als kurz oder lang, schön oder belastend beurteilt.

Eine Sekunde kann sehr schnell vorbei sein. Beobachtet man den Sekundenzähler einer Uhr, kann man feststellen, dass er sich in der persönlichen Wahrnehmung nach einiger Zeit langsamer zu bewegen scheint.

Derlei Beobachtungen beschrieb Albert Einstein in seinen Arbeiten zur Relativität von physikalischen Größen: Die Art und Weise wie Zeit vergeht, ändert sich mit dem Standpunkt und der Geisteshaltung (Erwartungshaltung) eines Menschen.

Einstein verdeutlichte den Effekt an diesem schönen Beispiel: Sitzen wir mit dem Hintern auf einem zu heißen Ofen und können nicht weg, vergeht Zeit quälend langsam.

Sind wir mit der Liebsten (oder dem Liebsten) zusammen, fliegt die Zeit nur so dahin.

Diesem Mysterium der Zeitwahrnehmung ging auch der Bayerische Rundfunk in dieser Ausgabe von „Gut zu wissen“ nach:
https://www.youtube.com/watch?v=0UtwXgSo7z8

Ein paar Fakten zur Zeitmessung

  • Das Wort „Zeit“ kommt vom althochdeutschen „zît“ für „Abgeteiltes“. Eigentlich ist Zeit also eine „Teilung des Tages“.
  • Erste Methode der Zeitmessung sind vor 6.000 Jahren im alten Ägypten entstanden: Man beobachte den Schatten, den aufrechtstehende Obelisken warfen.
  • Vor 3.400 Jahren entstanden Wasseruhren, die vom Prinzip heutigen Sanduhren ähnelten.
  • Die moderne Uhrmechanik verbreitete sich ab dem 14. Jahrhundert von Italien aus.
  • Taschenuhren für jedermann kamen ab dem 15. Jahrhundert auf.
  • Eine im ganzen Land gültige und einheitliche Zeit gibt es in Deutschland erst seit 1893.

Seit der Industrialisierung sind wir zunehmend von einem äußeren Zeitdiktat bestimmt. Durch das moderne Zeitalter und die Digitalisierung sind die Zeit und Zeitanzeigen inzwischen allgegenwärtig.

Kann man also wirklich Angst vor Zeit haben?

Betrachtet man das Wesen der Zeit, ist es unwahrscheinlich, dass jemand die Zeit selbst fürchtet. Hinter der Angst vor dem Verrinnen von Zeit stecken vielmehr Aspekte wie

  • Mangel- und Verlustdenken
  • Leistungsdruck
  • Wahrnehmungsstörungen
  • Denkfehler
  • Orientierung an versteckten Glaubenssätzen
  • Vorurteile
  • persönliches Empfinden und Erfahrungswelten.

Auswirkungen der Angst vor dem Vergehen von Zeit

Die Auswirkungen reichem im Alltag von dauerndem (auch unterschwelligem) Stress, bis hin zu Versagensängsten, Druck und Panikattacken.

Innerhalb von Depressionen und depressiven Verstimmungen spielen die Zeit und Sinnlosigkeit ebenfalls eine Rolle.

Eine unbehandelte Chronophobie kann starke Gefühle der Machtlosigkeit auslösen. Wir Menschen meinen über sehr viele Dinge Kontrolle ausüben zu können, jedoch nicht über die Vergänglichkeit von Zeit.

Dabei müssen sich Betroffene nur die wirklichen Auslöser der Angst vor dem Zeitrasen klarmachen (Stress, Leistungsdruck, Wahrnehmungsfehler). Schon leuchtet die Erkenntnis auf, dass man doch nicht so machtlos ist.

Zeitrasen im Alter – Wahrheit oder Illusion?

An diesem Phänomen sind mehrere Aspekte beteiligt.

Das Gefühl von Knappheit und Not

Die Angst vor dem Vergehen der Zeit, oder der zu knappen Bemessenheit von Lebenszeit, führt zu dauerhaften Stress.

Es wäre mit Einsteins Menschen, der auf dem heißen Ofen sitzt vergleichbar.

Fürchten sich Menschen im Alter davor, nicht mehr genug Zeit zu haben und nicht mehr genug Lebensereignisse genießen zu können, kann der subjektive Eindruck von Zeitrasen entstehen.

Routinen und das Gehirn

Hirnforscher fanden heraus, dass unsere automatische Hirnsteuerung Tätigkeit (und deren Zeitverlauf) ausblendet, wenn sie absolute Routine geworden sind:

Ein Mensch lebt seit dreißig Jahren am selben Ort, die Möbel stehen an derselben Stelle, jedes Handwerkszeug, alle Küchenutensilien liegen immer am selben Platz. Dazu verrichtet diese Person alle Tätigkeiten immer auf dieselbe Weise. Sie geht denselben Weg zur Arbeit usw.

Solche eingefahrenen Abläufe (Zeit = die Abfolge von Ereignissen!) bewertet das Gehirn irgendwann anders. Forscher fanden sogar heraus, dass das Gehirn Routine-Sequenzen von einige Sekunden bis Minuten quasi aus dem eigenen Lebensfilm herausschneidet. Die Bewertung und das Ausblenden verursachen den Eindruck vom schnelleren Vergehen von Zeit im Alter.

Viele Menschen finden Sicherheit in Routinen. Doch Hirnforscher warnen davor. Neben dem Zeitempfinden können die Lernfähigkeit und die Gedächtnisleistung langfristig darunter leiden.

Gedächtnisspeicher und Grübeln

Im Alter blicken Menschen auf ein ereignisreiches Leben und immer mehr Erinnerungen zurück.

Viele Menschen haben die Angewohnheit, viel über Vergangenes nachzudenken.

Oft sind diese Erinnerungen mit Gedanken, etwas falsch gemacht oder etwas verpasst zu haben, verbunden.

Dazu kommt das geistige Verbinden von Ereignissen der Vergangenheit. Diese können Jahre auseinander gelegen haben, werden aber durch eine Wertung in Relation gesetzt.
Die (belanglose) Zeit, die zwischen den Ereignissen lag, wird ausgeblendet. Durch diese Form der inneren Rückschau wird das Gefühl vom schnellen Vergehen von Zeit ebenfalls verstärkt.

Zeit dehnen mit Meditation, Atemübungen und Achtsamkeit

Östliche Weisheitstraditionen weißen auf eine Tücke der Zeitwahrnehmung und den Denkfehler des menschlichen Geistes hin:

  • Das Denken der Menschen bezieht sich fast immer auf die Vergangenheit (Erfahrungen und Erinnerungen) oder
  • die Zukunft (Erwartungshaltungen und Befürchtungen).
  • Dadurch geht die Wahrnehmung des Augenblicks verloren, die tatsächliche Zeit wird absurd verzerrt und Stress entsteht.

Durch Geistesschulung und Meditation kann das Zeitempfinden vollkommen verändert werden. Der Praktizierende erkennt, dass es die Zeit „da draußen“ nicht gibt. Es gibt ein Zeitdiktat (eine Einteilung, der man sich unterworfen hat) und das kann man ändern.

Wer regelmäßig meditiert, bekommt ein ganz neues Verständnis von Zeit und „gewinnt“ dadurch Zeit.

Betroffene von Zeitängsten können damit beginnen, immer wieder im Laufe eines Tages den gegenwärtigen Moment wahrzunehmen. Das geht ganz einfach, indem der eigene Atem bewusst wahrgenommen und beobachtet wird.

Ähnlich funktionieren Techniken der Achtsamkeit: Bewusstes Sehen, Spüren, Hören, die Wahrnehmung von Farben, Alltagsgeräuschen und Stimmungen um uns herum, holen den Geist aus dem Denken und dem verzerrten Zeitempfinden heraus.

Dadurch können sich nach kurzer Zeit eindrucksvolle neue Wahrnehmungswelten öffnen. Regelmäßig praktiziert entsteht tatsächlich das Gefühl der Verlangsamung von Zeit.

Weitere Tipps und praktische Selbsthilfeansätze liefert der Zeitexperte Jonaß Geißler in diesem Video:
https://www.youtube.com/watch?v=sSiKX-y2KM8

Die therapeutische Behandlung von Chronophobie

Wer unter schlimmen Angstvorstellungen, Panikattacken oder Beklemmung in Verbindung mit Zeit leidet, sollte sich Hilfe suchen.

Der Therapeut wird im Gespräch zunächst die Ursprünge der Zeitknappheit im eigenen Leben erörtern (hektische Eltern, zu spät aufstehen und zur Schule kommen, viele Verpflichtungen, früher Kontakt mit Zukunftsängsten usw.).

Im nächsten Schritt werden die Wahrnehmungsfehler aufgezeigt und begreifbar gemacht.

Bei einem sehr hektischen und stressvollen Lebenswandel muss der Patient den Willen zu Veränderungen im Leben mitbringen.

Zeit vergeht zu schnell | Angst (© BBuilder / stock.adobe.com)
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Zeit vergeht zu schnell Angst – Quellen

  • nzz.ch/schweiz/der-eilige-geist-1.18669941?reduced=true
  • psylex.de/stoerung/angst/phobien/chronophobie/
  • gedankenwelt.de/die-angst-vor-der-zeit/

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