Die Angst vor Kontakt mit Menschen nimmt zu
Nicht jedes Vermeidungsverhalten und jede Angst vor Kontakt mit Menschen ist gleich eine Phobie (siehe Angst und Phobie Unterschied). Manche Menschen erröten wegen ihrer Schüchternheit. Sie möchten diese aber gerne überwinden. Das gelingt ihnen mit der Zeit auch oft.
Viele Menschen haben zu Beginn der Corona-Pandemie eine Zeit starker Verunsicherung erlebt. Die Ansteckungszahlen stiegen, die Zahl der an Corona Verstorbenen ebenfalls. In solchen Situationen entsteht eine ganz natürliche Angst, sich anzustecken. Ein unbekanntes Virus kann aber bei latent labilen Menschen auch eine soziale Angststörung auslösen. Der Kontakt mit Menschen birgt plötzlich Gefahren, die mancher nicht für beherrschbar hält.
Zudem sollte man plötzlich nicht mehr Hände schütteln und keine Umarmungen verteilen. Eltern wurden tagelang ins Homeoffice, Kinder nach Hause verbannt. Viele Kinder und Jugendlichen haben in dieser Situation Ängste und Depressionen entwickelt.
Warum trifft die Angst vor Kontakt mit Menschen?
Die Angst vor Kontakt mit Menschen betrifft keine bestimmten Menschen, sondern alle Menschen. Sie bezieht sogar Menschen ein, die man schon lange kennt. Ob die eigene Familie ebenfalls Ängste auslöst, ist unterschiedlich. Solche Ängste entstehen aber nicht von heute auf morgen. Sie schleichen sich in den Betroffenen ein und nehmen immer mehr Platz ein (vgl. Angst: Soziale Kontakte). Ob es einen oder mehrere Auslöser gibt, ist oft nicht mehr nachvollziehbar.
Mögliche Auslöser für soziale Ängste sind Traumata, aber auch übermäßige Schüchternheit sowie negative Erfahrungen mit Menschen. Auch Medienberichte über die Möglichkeit, dass es zu immer mehr vom Tier überspringenden Virenerkrankungen kommt, können ängstigen. Ängste sind individuell. Sie bedürfen eines Bodens, auf dem sie reifen und sich ausbreiten können. Die Angst vor Kontakt mit Menschen trifft nicht nur labile Personen. Sie kann auch Menschen treffen, die gerade eine persönliche Krise durchleben (vgl. Angst unter Menschen zu sein).
Selbst wenn jemand nach einem Feuerunfall entstellt ist, kann er die verständliche Angst vor Kontakt mit Menschen überwinden lernen. Dass die Angst vor Kontakt mit Menschen krankhafte Züge annimmt, ist also nicht immer gesagt. Krankheitswert haben Ängste, die unüberwindbar erscheinen und körperliche Symptome wie Herzrasen und Panikattacken auslösen. Selbst mancher Prominente war von einer Sozialphobie betroffen.
Luftfahrtpionier, Unternehmer und Filmproduzent Howard Hughes galt wegen seines eigenartigen Verhaltens als Exzentriker. In Wahrheit litt er in seinen späteren Lebensjahren an Angst vor Kontakt mit Menschen. Auch Greta Garbo oder Doris Day könnten im Alter Sozialphobiker gewesen sein.
Wie äußern sich Ängste bzgl. Kontakt mit Menschen?
Wer eine Phobie vor Menschen entwickelt, übt sich in sozialem Vermeidungsverhalten. Zunächst erlebt er vielleicht nur negative Gedankenspiralen. Er ergeht sich in Befürchtungen, die ihm Angst machen. Womöglich recherchiert der Betroffene im Internet nach weiteren angsteinflößenden Nachrichten und Berichten.
Die kruden Behauptungen von Verschwörungstheoretikern können bei solchen Menschen Verheerungen in der Psyche verursachen. Ihre haltlosen und abstrusen Behauptungen sind zwar nicht beweisbar. Doch sie scheinen selbst die schlimmsten Befürchtungen ängstlicher Menschen zu bestätigen. Der oder die Betroffene steigert sich immer weiter in ihre Angst vor Menschen hinein. Betroffene unterfüttern die eigenen Ängste mit weiteren „Beweisen“, statt sich mit gesundem Menschenverstand zu bewaffnen. Sie vergessen, die Wahrscheinlichkeit solcher Berichte zu hinterfragen.
Wenn die Angst vor Kontakt mit Menschen eine soziale Angststörung geworden ist, fallen Betroffene durch ihr Vermeidungsverhalten auf (siehe auch Angst mit Menschen zu sprechen). Sie gehen nicht mehr aus dem Haus, meiden Treffen mit alten Bekannten und Freunden. Sie meiden schließlich alle Situationen, in denen sie andere Menschen treffen müssten. Das schließt am Ende auch den eigenen Arbeitsplatz ein. Kann man diesen zu Fuß erreichen, geht es anfangs noch.
Muss der Betroffene aber mit dem Bus oder der vollen U-Bahn fahren, sucht er schon bald nach Auswegen. Schon beim Gedanken an den Weg zum Büro bekommen solche Menschen Schweißausbrüche, Magenkrämpfe und Herzrasen. Sie müssen erbrechen und halten sich daher für körperlich krank. Viele Betroffene lassen sich lieber krankschreiben als zur Arbeit zu gehen. Sie fühlen sich dazu nicht mehr in der Lage. Beim Gespräch mit dem Arzt erröten sie – aber nicht vor Scham, sondern weil sie Angst vor dem Menschen haben, der ihnen gegenüber sitzt.
Manche der Angstpatienten versuchen, mit Beruhigungsmitteln, Marihuana oder Alkohol der Lage Herr zu werden. Doch die Ängste sind irgendwann nicht mehr zu übertünchen. Die Betroffenen leiden an einer Sozialphobie.
Wie erkennt man eine Sozialphobie?
Die Angst vor Kontakt mit Menschen hat während der Corona-Pandemie zugenommen. Der Grund ist die Ansteckungsgefahr. Da diese Angst berechtigt ist und auf sachlichen Gründen fußt, ist sie nicht krankhaft. Es ist folgerichtig, dass man bei Begegnungen mit anderen Menschen vorsichtiger wird.
Meidet man aber jegliche Begegnung und verspürt zudem Panik beim puren Gedanken daran, einkaufen oder Bus fahren zu müssen, liegt vermutlich eine Phobie vor. Die Ängste dominieren jeden Gedanken. Sie bestimmen das Handeln. Es kommt schon aus nichtigem Anlass zu Vermeidungsverhalten. In diesem Fall ist es nicht Schüchternheit, die die Betroffenen zunehmend isoliert.
Statt wegen Schüchternheit zu erröten, erleben Menschen bei einer Phobie körperliche Symptome wie
- Panikattacken
- feuchte Hände, Schweißausbrüche
- Herzklopfen oder Herzrasen
- Fluchtgedanken
- Zittern, innere Unruhe
- Beklemmungen, Atemnot
- Übelkeit, Magenschmerzen oder Erbrechen.
Der Gedanke an eine Angststörung oder Phobie liegt nahe. Die Betroffenen selbst erkennen nicht, dass ihre Ängste unangemessen und unverhältnismäßig sind. Sie beziehen die erlebten Symptome auf eine organische Ursache, nicht auf die Psyche. Auch das Umfeld denkt zunächst an eine körperliche Erkrankung. Es unterstützt die Betroffenen darin, sich auszuruhen und zuhause zu bleiben.
Wie behandelt man solche Ängste?
Mediziner sprechen bei der Angst vor Kontakt mit Menschen von einer Sozialphobie. Ein anderer Begriff wäre soziale Angststörung. Die Ängste betreffen die Begegnung mit anderen, gleichgültig an welchem Ort. Oft entsteht eine lange Leidensstrecke, bevor die Betroffenen durch eine Therapie Hilfe erhalten. Die gute Nachricht ist: Eine soziale Angststörung lässt sich gut behandeln. Die Ängste können mit einer Verhaltenstherapie abtrainiert werden.
Das Vermeidungsverhalten wird nach und nach wieder abgelegt. In der Therapie wird zunächst nach den Auslösern und Gründen für die Ängste geforscht. Dann erhält der Patient kleine Aufgaben, die einen Kontakt mit Menschen erfordern. Seine Phobie muss durch Konfrontation mit dem angstbesetzen Thema bewältigt werden. Mit jedem Schritt in die richtige Richtung, fällt das leichter.
Der Grund: Eine soziale Angststörung ist ein erlerntes Verhalten. Folglich kann sie im Rahmen einer Therapie auch wieder in gesunde Bahnen gelenkt werden. Besonders erfolgreich ist bei der Behandlung einer Phobie die kognitive Verhaltenstherapie. Durch die vorsichtige Konfrontation mit dem angstauslösenden Objekt und durch das Sprechen darüber klingen die Ängste nach und nach ab. Der Betroffene kann nach Abschluss der Therapie wieder ein normales Leben führen.
Die Krankenkasse übernimmt die Kosten der Verhaltenstherapie bei einer diagnostizierten Sozialphobie.
Quellen und weiterführende Ressourcen:
- https://www.palverlag.de/lebenshilfe-abc/kontaktangst.html
- https://praxistipps.chip.de/angst-vor-menschen-soziale-phobie-das-steckt-dahinter_96918
- https://www.palverlag.de/soziale-angst.html
- https://www.psychotherapie-marten.de/verhaltenstherapie-soziale-phobie/
- https://www.therapie.de/psyche/info/index/diagnose/angst/therapie/
- https://www.youtube.com/watch?v=aNrt5tB5B_U