Mittels Psychotherapie werden Leiden behandelt, welche die Psyche oder die „Seele“ betreffen. Anders als bei der physischen Medizin arbeiten Therapeuten mit dem Gefühls- und Gedankenleben sowie den Verhaltensweisen betroffener Menschen und heilen einschränkende Emotionen und Reaktionsmuster.
Psychotherapie: Definition und Ursprung
Die moderne Psychotherapie wurde vor etwa 100 Jahren von dem österreichischen Arzt Sigmund Freud begründet.
Vorhaben, die Psyche oder das Seelenleben von Menschen zu behandeln, sind aber schon wesentlich älter.
Der Begriff Psychiatrie und Psychiater wurde 1808 von dem deutschen Arzt Johann Christian Reil geprägt. Er verstand darunter die „therapeutische Funktionalisierung seelischer Wirkungen.“
Vor den Arbeiten Freuds und etwas später Carl Gustav Jungs sprach man im Zusammenhang von psychischen Erkrankungen oftmals noch von „Irren“ oder „Irrenärzten“.
Wieso die Menschen diese Auffälligkeiten zeigten, war den damaligen Medizinern oft noch ein Rätsel. Als die Einflüsse der Kirche noch größer waren, sprach man sogar noch von „Besessenheit“ und „Teufelsaustreibungen“.
Freud und Jung dagegen waren weniger der Meinung, dass psychisch kranke Menschen von etwas besessen seien, vielmehr erkannten sie, die Ursache der Störungen in Kräfteverschiebungen innerhalb der Persönlichkeit eines Menschen.
Psychologie gilt heute als Wissenschaft vom Verhalten, Denken und Fühlen. Psychotherapie ist der entsprechende medizinische Zweig beziehungsweise eine Sammlung von Methoden, mit denen Ärzte und Therapeuten die Psyche der Menschen behandeln.
„Psyche“ ist ein griechisches Wort für die Seele. Wörtlich bezeichnet der Begriff etwas sehr Feines, ätherisches oder einen Lufthauch.
Verschiedene Disziplinen der Psychotherapie
Die älteste Methode der Psychotherapie ist die Hypnose, die sich aus noch viel älteren Heil- und Trancetechniken entwickelte.
Weitere Methoden sind die Gesprächstherapie, die Verhaltenstherapie sowie die klassische Psychoanalyse nach Freud.
Da die Erkenntnisse rund um die Natur der Psyche sowie die Hintergründe diverser Störungen bei weitem noch nicht abgeschlossen sind, entstehen immer neue Therapieansätze.
Schon früh fanden Psychiater heraus, dass sich durch Hypnose oder Trance Bewusstseinsebenen erreichen lassen, die sonst vor dem Alltagsbewusstsein verborgen bleiben. Dort zeigen sich Dinge wie versteckte Glaubenssätze, unverarbeitete Emotionen, Traumata und manchmal auch Einflüsse aus dem, was Freud das kollektive Unterbewusstsein nannte (Einflüsse aus der Familie, dem sozialen Umfeld, der Nation usw.).
Hypnose stand am Anfang der vernünftigen Arbeit mit geistig-seelisch kranken Menschen. Davor versuchten Therapeuten die Seelenkrankheiten häufig über den Körper zu erreichen. In den schlimmsten Auswüchsen wurden Menschen Nerven durchtrennt oder Manipulationen im Gehirn vorgenommen, um Änderungen auf Seelenebene zu erreichen.
Moderne Formen der Gesprächstherapie, der Kognitiven Therapie und weitere haben obskure Behandlungen zum Glück vollständig abgelöst. Wer heute in die Sprechstunde eines psychologischen Therapeuten geht, wird dort über Methoden wie Gespräche, Selbsterfahrungstechniken, Konfrontationen, Einsichten und Erklärungen therapiert.
Wie kann Psychotherapie helfen?
Die Psyche des Menschen ist bis heute ein schwer verständliches Konstrukt. Man kann sie nicht sehen, im Körper nicht orten und sie zeigt sich als ein sehr vielschichtiges und störungsempfindliches System.
Therapeuten versuchen das „Seelenleben“ oder auch die Gefühls- und Emotionswelt eines Menschen zu erfassen, zu beurteilen und dann neu auszurichten.
Die genaue Vorgehensweise ist bei jeder Art der psychischen Erkrankung anders.
Manche „Störungen“ lassen sich ganz leicht beheben und bei anderen ist jahrelange Therapie notwendig. Andere psychische Leiden können nur gelindert werden und in einigen Fällen sind Erkrankungen der Psyche gänzlich unbehandelbar.
Wichtig ist es, bei psychischen Problemen oder erlittenen Traumata nicht zu lange zu warten, bis ein Therapeut aufgesucht wird (- siehe auch: Wann sollte man zum Psychologen gehen).
Störungen können sich in der Psyche überlagern oder Wechselwirkungen miteinander eingehen. Unverarbeitete und ins Unterbewusstsein verschobene emotionale Schocks können ein Menschenleben heimlich und still sabotieren. Leid und Kummer oder schwerwiegende psychische Probleme können im Laufe von Jahren so immer mehr werden.
Je später ein Therapeut hinzugezogen wird, umso schwerer kann es sich gestalten, die Probleme zu lösen.
Die Psyche kann genauso krank werden wie der Körper
Leider findet die Psychotherapie bei uns bei Weitem noch nicht die Resonanz, die sie eigentlich verdient.
Wenn ein Patient mit einem Schnupfen zum Arzt geht, ist das gesellschaftlich akzeptiert. Geht jemand wegen anhaltender Traurigkeit oder einer anderen psychischen Last zum Arzt, schwingt immer noch ein ungutes Stigma mit.
Aus diesem Grund scheuen sich viele Betroffene rechtzeitig Hilfe zu suchen oder verstecken psychisches Leid, so lange wie möglich.
Die Kostenübernahmementalität durch die Krankenkassen hält ebenfalls viele Betroffene davon ab, Hilfe zu suchen, bevor sich schwere Depressionen, Süchte oder Angststörungen etabliert haben.
Tipps zur psychologischen Selbsthilfe gibt in diesem Video der Diplom-Psychotherapeut Bernd Kühnrich.
Was tun bei Ängsten?
Angst nimmt zu, bei Kindern, Erwachsenen, innerhalb von Familien, Schulen und Betrieben. Zum einen liegt das an allgemein sozial unsicher werdenden Zeiten sowie an unseren Lebensstilen, welche der Psyche oft zu wenig „Nahrung“ und Ausgleich bieten.
Nicht wenige Menschen befinden sich in Lebensumständen, die sie weder als beglückend noch erfüllend empfinden. Beide Emotionen sind aber eine Grundvoraussetzung für ein ausgeglichenes Seelenleben.
Ängste zeigen sich durch ständiges Unwohlsein bis hin zu Panikattacken, die gelegentlich oder regelmäßig in Erscheinung treten.
Eine weitere Form der krankhaften Angst ist die Phobie, bei der ein bestimmter und meist rational als unsinnig empfundener Trigger starke Angst bis hin zu Panik auslöst.
Ängste müssen ernst genommen werden. Einige Phobien, wie Höhenangst oder die Angst vor tiefen und dunklen Gewässern (Thalassophobie) sind sehr verbreitet und Menschen leben im Alltag ganz gut damit. Insbesondere, wenn sich die Trigger vermeiden lassen, ist eine Therapie meistens nicht notwendig.
Wird Angst dagegen zum ständigen Begleiter (Angstattacken, Panikattacke beim Aufwachen) sollten Betroffene unbedingt Hilfe in Anspruch nehmen.
In sehr schlimmen Fällen kann es zunächst angezeigt sein, die aus den Fugen geratene Psyche durch Medikamente (vgl. z.B.: Mirtazapin gegen Angst) zu beruhigen.
Wann Betroffene auf jeden Fall Hilfe brauchen
Es gibt eine ganze Reihe von Erscheinungen und psychischen Störungen, bei denen Betroffene umgehend Hilfe suchen sollten:
• Schwere, anhaltende Ängste und Panik
• Angstattacken mit körperlichen Symptomen
• anhaltende Depression (vgl. Symptome einer schweren Depression)
• Zwangsvorstellungen, Wahnvorstellungen
• schwere Beeinträchtigung der körperlichen Leistung
• Beeinträchtigungen der Wahrnehmungsfähigkeit
• Essstörungen (Anzeichen einer Essstörung)
• Todessehnsucht und Selbstmordgedanken
• Depersonalisierung (nicht mehr wissen, wer man ist)
• schwere Erinnerungslücken
• Persönlichkeitsstörungen
• stark schädigendes Suchtverhalten (Drogen, Spielen, Alkohol).
Liegen diese Leiden vor, übernehmen die Krankenkassen oft die Kosten für eine Therapie.
Die gängigsten Psychotherapieverfahren
Innerhalb des anerkannten medizinischen Systems und der Krankenkassen wird Psychotherapie in vier Grundverfahren eingeteilt:
• Kognitive-/Verhaltenstherapie
• Tiefenpsychologisch fundierte Therapie
• Psychoanalytische Therapie
• Systemische Therapie
Zugelassene Psychotherapeuten sind meistens auf eines dieser Verfahren spezialisiert. Es gibt jedoch auch andere Formen / Ansätze mit unterschiedlichen Schwerpunkten, siehe z.B. die übertragungsfokussierte Psychotherapie.
Kognitive Verhaltenstherapie bzw. Verhaltenstherapie
In der Verhaltenstherapie (VT) wird davon ausgegangen, dass Menschen schädliche Verhaltens-, Sicht- oder Denkweisen im Laufe eines Lebens erlernt haben. Psychische Erkrankung sind folglich das Ergebnis von misslungenen oder unvorteilhaften Lernerfahrungen.
Viele dieser Prägungen stammen aus der Kindheit oder dem früheren Erwachsenenalter.
„Kognitiv“ bezeichnet Denk- und Wahrnehmungsmuster und dementsprechend bezieht die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) diese Elemente mit in den Therapieprozess ein: Eine Störung ist also nicht nur erlernt, sondern mit kognitiven Prozessen verbunden oder entspringt ihnen.
Die Therapie ziel darauf ab, über neu erlerntes Wissen und Erfahrungen neue Verhaltensweisen und Denkmuster zu etablieren.
Der Psychotherapeut erarbeitet diese neuen Strategien meist anhand aktueller Probleme und Konfliktsituationen des Patienten.
In der Regel finden die Sitzungen einmal pro Woche statt und erste deutliche Erfolge zeigen sich nach etwa zwölf Sitzungen.
Psychoanalyse oder analytische Psychotherapie
Die Therapieform der Psychoanalyse, die auf Sigmund Freud zurückgeht, geht davon aus, dass ins Unbewusste verdrängt schwierige Gefühle und traumatische Erinnerungen für die Störungen verantwortlich sind.
Im Gegensatz zur Verhaltenstherapie wird hier kein neues Verhalten trainiert, vielmehr werden Ursachen aufgedeckt, was zu einer Lösung der Probleme führen soll. Ziel ist es, mittels Wiedererleben der inneren Konflikte an diese verbundenen Gefühle zu gelangen.
Der Patient redet während einer Sitzung frei heraus, was ihm gerade durch den Sinn geht. Gedankensprünge sind dabei ausdrücklich gewollt. Es geht beim Redefluss weniger um ein bestimmtes Thema oder Ziel. Vielmehr geht der Therapeut davon aus, dass der Patient genau das ausdrückt, was er auf dem Herzen hat. Der Therapeut redet nur selten und bietet nur gelegentlich Interpretationen und kleinere Hilfestellungen an. – Diese Art der Therapie eignet sich nur für Patienten, denen die aktive Auseinandersetzung mit einem anleitenden Gegenüber nicht so wichtig ist.
Psychoanalyse findet oft im Liegen statt, während der Therapeut im Hintergrund bleibt. Bei modernen Formen der Psychoanalyse sitzt der Therapeut dem Patienten auch gegenüber.
Die Sitzungen finden bis zu dreimal pro Woche statt und zeigen im Erfolgsfall nach etwa zwölf Sitzungen erste Resultate.
Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
Auch die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (TP) sieht unbewusste innere Konflikte als eigentliche Ursache der psychischen Leiden.
Der Therapeut versucht einen verdrängten Schlüssel-Konflikt aus der Vergangenheit des Patienten zu identifizieren. Wird der erkannt und durch neue Sichtweisen gelöst, kann die aktuelle Situation des Patienten beeinflusst werden.
Durch aktives Verstehen der Zusammenhänge kann der Patient den Konflikt lösen und entwickelt neue Möglichkeiten, in der Gegenwart mit den daraus entstehenden Schwierigkeiten umzugehen.
Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie ist die klassische Gesprächspsychotherapie, bei welcher der Therapeut sehr viel mit dem Patienten kommuniziert und aktiv am Zielumsetzungen in der Gegenwart beteiligt ist. Nach der Findung der Ursachen werden wandelnde Prozesse in Gang gesetzt.
Sitzungen finden zwei bis dreimal pro Woche statt und auch hier zeigen sich erste Erfolge meistens nach etwa zwölf Sitzungen.
Systemische Psychotherapie
Im Leistungskatalog der Krankenkassen ist die systemische Therapie (ST) noch recht neu. In der systemischen Therapie geht es um die sozialen Zusammenhänge und Gruppentherapie. Betrachtet werden nicht nur der Patient und sein Leiden, sondern das System beziehungsweise Umfeld, in welchem sich die Problematik abspielt.
Die Systemik bezieht wichtige Bezugspersonen, die Familie oder auch das erweiterte soziale Umfeld oder den Arbeitsplatz mit ein.
Sind beteiligte Menschen zur Teilnahme bereit, finden Therapiesitzungen auch als Gruppentherapie oder sogenanntes Mehrpersonensetting statt. Bedeutsame Beziehungen und störende Interaktionen werden direkt mit den beteiligten Personen besprochen und verändert.
Der Psychotherapeut spürt die Störungen im System auf und bietet Lösungsansätze.
Neben Sitzungen im Sitzen können Konflikte oder Dynamiken im System auch durch Aufstellungen oder Rollenspiele gelöst werden.
Psychotherapeutische Akutbehandlung, stationäre Behandlung
In einigen Fällen kann es angezeigt sein, dass ein psychisch erkrankter Mensch sofort auf intensivste Weise behandelt werden muss.
Das ist bei Selbstmordabsichten, schweren Störungen, Verfolgungswahn, autoaggressivem Verhalten, Aggressionen gegenüber Mitmenschen, bei Psychosen und einigen anderen schweren psychischen Leiden der Fall.
Es findet eine stationäre Aufnahme in eine psychiatrisches oder psychologisches Krankenhaus statt. Manchmal muss dies unter Zwang passieren. Andere Patienten bitten selbst darum (vgl.: Sich selber einweisen) oder der Hausarzt beziehungsweise ein Notarzt ordnen die psychologische Akutversorgung an.
In der Folge der Akutbehandlung bekommen Patienten meistens einen langfristigen Therapieplatz in einer offenen oder geschlossenen Einrichtung zugewiesen.
Wann übernehmen die Krankenkassen die Kosten?
Krankenkassen übernehmen psychotherapeutische Leistungen nur, wenn eine seelische Erkrankung bzw. eine Störung „mit Krankheitswert“ vorliegt (schwere Angststörungen, Depressionen, Persönlichkeitsstörungen und Suchterkrankungen).
Diese Einordnung erfolgt in erster Instanz durch den Hausarzt, der die Überweisung zum Psychologen veranlasst.
Bei privaten Versicherungen sind die Übernahmemodalitäten bei jedem Versicherten und Versicherungspaket unterschiedlich.
Für die Antragstellung auf Kostenübernahme sind zunächst ein diagnostisches Erstgespräch und eine probatorische Sitzung erforderlich. In diesem Rahmen stellt der Psychotherapeut die Diagnose, erstellt einen Behandlungsplan und gibt Auskünfte darüber, welcher Behandlungsumfang absehbar ist.
Die meisten Psychotherapeuten bieten keine offene Sprechstunde, sondern nur Behandlungen und Beratungen nach oft weit im Voraus vereinbarten Terminen an. Die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen in den einzelnen Bundesländern (z.B. hier in Bayern oder hier in Berlin) vermitteln bei Bedarf den Kontakt zu einem Psychotherapeuten, der zeitnah verfügbar ist.
Der Unterschied zwischen Psychiater, Psychotherapeut und psychologischer Berater
Psychiater absolvieren zunächst ein Studium in Humanmedizin und spezialisieren sich später auf die Psyche oder auch psychosomatische Themen (Zusammenhänge zwischen Körper und Psyche). Nach dem Medizinstudium absolvieren angehende Psychiater eine mehrjährige Facharztausbildung in einem psychiatrischen Fachkrankenhaus oder einer vergleichbaren Einrichtung.
Psychologen oder Psychotherapeuten studieren circa fünf Jahre das Fach Psychologie. – Bis angehende Psychologen Patienten selbstständig behandeln dürfen vergehen weitere drei bis fünf Jahre Ausbildung in Assistenzanstellungen.
Leichte Verstimmungen und seelische Krisen sowie Beziehungskonflikte, Partnerschaftsproblemen oder Schwierigkeiten innerhalb von Familien werden auch von sogenannten psychologischen Beratern behandelt. Psychologische Berater haben in der Regel eine Zulassung als Heilpraktiker oder ein entsprechendes Berufszertifikat erworben. Sie haben weder Medizin noch Psychologie studiert.
Grundsätzlich können alle diese Fachkräfte Kenntnisse in jedem der gängigen Psychotherapieverfahren besitzen. Die weitere Ausübung der Psychotherapie durch nichtärztliche Psychotherapeuten ist im Psychotherapeutengesetz (PsychThG) geregelt.
Wer darf Medikamente verschreiben?
Aufgrund der großen Nebenwirkungen von Psychopharmaka und Antidepressiva (vgl. auch Medikamente gegen Angst und Unruhe, sowie den Artikel zu Sertralin Nebenwirkungen) dürfen nur Psychiater und Ärztliche Psychotherapeuten Medikamente verordnen
Psychologische Psychotherapeuten, psychologische Berater oder Heilpraktiker dürfen dies nicht.
Wer unter schweren psychischen Erkrankungen leidet, sollte die Behandlung also von Beginn an in die Hände einer Fachkraft mit allen erforderlichen Kompetenzen geben.