F48.0 Diagnose erklärt

F48.0 Diagnose laut ICD10? - Neurasthenie, oder? (© goodluz / stock.adobe.com)
F48.0 Diagnose laut ICD10? - Neurasthenie, oder? (© goodluz / stock.adobe.com)

Bedeutung der Diagnose F48.0 laut ICD 10

Als Neurasthenie, nervöse Erschöpfung oder Nervenschwäche wird die mittlerweile überholte Diagnose F48.0 laut dem ICD-10 bezeichnet. Darunter können sich die meisten Leser nur eine sehr verschwommene Störung vorstellen. Die meist weiblichen Betroffenen klagten zu Beginn des 20. Jahrhunderts über nervöse Erschöpfung, Ermüdung, Gereiztheit, Freudlosigkeit, Ängstlichkeit oder Spannungskopfschmerzen. Sie fühlen sich erschöpfter und reizbarer als sonst. Es konnte begleitend zu sexueller Unlust, Impotenz oder Frigidität kommen.

Interessant ist: Je nach Kultur und Gesellschaftsordnung können die Symptome der Neurasthenie bei anderen Völkern auch anders ausfallen. Als ursächlich für die Störung F 48.0 sehen die Fachleute zwei mögliche Verursacher an:

  • Entweder fühlen sich die Betroffenen mangels Belastungsfähigkeit oder einem Mangel an äußeren Reizen ermattet,
  • oder sie leiden an einer gewissen Monotonie und Reizarmut in ihrem beruflichen Leben. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem „Bore-out“, also einer gewissen Langeweile und Eintönigkeit, die erschöpfend und stimulationsarm ist.


Was bedeutet eigentlich Neurasthenie?

Heutzutage wird die Diagnose F48.0 nur noch selten gestellt. Demnach dürfte es in Deutschland nur wenige Psychiater geben, die jemals mit der Diagnose F48 0 bzw. der Neurasthenie zu tun hatten. Heutzutage dominieren

unser modernes Leben. Auffällig ist jedoch, dass auch diese Erkrankungen gewisse Symptome der Neurasthenie in sich vereinen. Zum Ende des 19. Jahrhunderts und dem Beginn des 20. Jahrhunderts galt die Neurasthenie als Modekrankheit. Betroffen waren jedoch nicht die Arbeiter in den neu entstehenden Manufakturen und Fabriken, sondern vor allem die gehobenen Gesellschaftsschichten.

Die Betroffenen litten seinerzeit an einer gewissen Übersättigung und an Langeweile. Vor allem Frauen erlebten in dieser Zeit wenig Abwechslung. Demnach behandelte man die Menschen, die seinerzeit von Neurasthenie betroffen waren, mit stimulierenden Methoden wie einer Reizstrombehandlung oder anregenden Kaltwasserbädern. Siegmund Freud und andere Zeitgenossen widmeten der Neurasthenie viel Aufmerksamkeit. Der Grund lag vor allem in der weiten Verbreitung der „nervösen Erschöpfung“ in bestimmten Gesellschaftsschichten und unter Frauen. Freuds Theorien über die Neurasthenie mussten sich aber mit der Zeit neuen Erkenntnissen anpassen.

Menschen, die an einer Neurasthenie oder Nervenschwäche litten, würde man heute vielleicht als labil, als Hypochonder, Melancholiker oder Wohlstandsopfer bezeichnen. Damals aber galt diese Störung nicht als psychische Erkrankung. Sie erzeugte in den Schichten der Wohlhabenden kein gesellschaftliches Stigma. Ungewöhnlich ist, dass die ICD10-Diagnose mit dem Code F48.0 heute in China und Japan relativ häufig gestellt wird. Um das Gesicht zu wahren und in der Gesellschaft nicht als psychische kranker Mensch anzuecken, kann sich hinter dieser gesellschaftlich anerkannten Diagnose aber auch eine echte psychische Erkrankung wie Schizophrenie verbergen. Die angeblich an Neurasthenie erkrankten Menschen werden mit dieser Diagnose in Asien eher nicht als Außenseiter oder Versager gesehen.

In unseren Breiten wird die Neurasthenie heute meistens mit dem Burn-out-Syndrom oder einer Erschöpfungsdepression gleichgesetzt. Moderne Studien zu diesem Erkrankungsbild gibt es nicht, da diese Störung mittlerweile als überholt gilt. Sie ist quasi vergessen worden und wurde durch andere Störungs- und Krankheitsbilder ersetzt, die zeitgemäßer sind. Zudem hatte die Neurasthenie (im Sinne von F 48.0 im ICD-10) nie ein besonders gutes Image. Im Gegensatz dazu gilt beispielsweise der Burn-out als Erschöpfungserkrankung besonders fleißiger und arbeitsamer Menschen. Die Betroffenen finden daher mehr gesellschaftliche Anerkennung. Auch im Chronischen Erschöpfungssyndrom (CFS) findet sich eine gesellschaftlich anerkannte Variante der Neurasthenie wieder. Der Blick auf die möglichen Verursacher dieser beiden Erkrankungen offenbart aber Unterschiede.

Mögliche Symptome einer Neurasthenie

Die Diagnose F48.0 wird heute nur noch selten bis gar nicht gestellt. Sie gilt als nicht mehr empfehlenswert – auch weil sie nach heutigem Standard unpräzise und überholt ist. Dennoch sind – schon aus historischer Sicht – die möglichen Symptome interessant. Solche Symptome kennen wir auch heute. Wir ordnen sie mittlerweile aber anderen Zuständen und Störungsbildern zu. Folgende Symptome werden dem Diagnoseschlüssel F48.0 im ICD-10 zugeordnet:

  • anhaltende Erschöpfung trotz geringer Anstrengung
  • besorgniserregende Anzeichen der Müdigkeit ohne erkennbaren Grund
  • das Gefühl der allgemeinen Überforderung
  • ein allgemeines Unwohlsein
  • Anzeichen von Depressivität und Lustlosigkeit
  • Anzeichen von Gereiztheit und Aufgeregtheit
  • unruhiger, wenig erholsamer Schlaf
  • mangelnde Leistungsfähigkeit
  • das Gefühl emotionaler Ausgelaugtheit
  • gesteigerter Zynismus, Verbitterung
  • Depersonalisierung, Abgestumpftheit.

Zusätzlich treten bei einer Neurasthenie auch körperliche Symptome auf. Diese können sich zum Beispiel als

  • Muskelschmerzen auch ohne sportliche Betätigung
  • Verspannungen
  • Spannungskopfschmerz
  • Schwindel oder Benommenheit
  • Schlafstörung
  • mangelnde Fähigkeit zur Entspannung
  • Gereiztheit

einstellen. Die Symptome sollten bei der Diagnosestellung F48.0 mindestens ein Jahr lang vorgelegen haben. Die Abgrenzung zu organisch bedingten oder affektiven psychischen Störungen, Panikstörungen oder generalisierten Angststörungen sollte bei der Diagnosestellung berücksichtigt werden. Eine Neurasthenie-Diagnose könnte beispielsweise auf eine ernstere psychische Erkrankung wie Schizophrenie oder Depression hinweisen.

Auch heute sind vermutlich etwa 20 Prozent der Bevölkerung von solchen Überforderungs- und Erschöpfungs-Symptomen betroffen. Die Betroffenen gehen damit aber nicht immer zum Arzt. Vielmehr arbeiten viele Betroffene mit sogenannten Energy Drinks, Colagetränken oder leistungssteigernden Tabletten gegen die Erschöpfung an. Auch Alkohol- und Drogenkonsum ist ein Mittel, um gegen die „nervöse Erschöpfung“ vorzugehen. Vielfach werden Sport, Wellness und ein aktiver Lebensstil genutzt, um der Erschöpfung Paroli zu bieten.

Ein Burnout-Syndrom wäre zwar auch ein Erschöpfungs-Syndrom. Es wird aber von affektiven Symptomen begleitet. Dazu gehören allgemeines Unwohlsein, erhöhte Reizbarkeit, sowie Zynismus und Depersonalisierung. Beim Chronischen Erschöpfungssyndrom ist die Erschöpfung gravierender als bei einer Neurasthenie. Die Vergleichbarkeit dieser drei ist also nur teilweise möglich. In anderen Teilen unterscheiden sie sich.

Mögliche Ursachen der Neurasthenie

Auch wenn die Neurasthenie inzwischen zu den vernachlässigten Erkrankungs- und Störungsbildern gerechnet wird, ist sie in ihren Ursachen immer noch präsent. Die Menschen gehen heute aber anders mit solchen Erschöpfungszuständen um. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, in der man sich Leistungseinbrüche und Schwächen erst erlaubt, wenn sie wirklich als unüberwindlich wahrgenommen werden.

Heute werden als Ursachen für die Neurasthenie vor allem die psychische Verfassung, der Einfluss bestimmter Umweltfaktoren und beitragende Stressfaktoren angesehen. Ähnlichkeiten der Diagnose zu Neurosen und anderen psychischen Störungsbildern sind auffindbar. Da aber die Neurasthenie durch die Forschung vernachlässigt wird, gibt es keine neuen Erkenntnisse zur Verursachung. Die Forscher haben sich der Erforschung neuerer Erschöpfungsbilder wie dem Burn-out oder der CFS zugewandt. Die Diagnose F48.0 ist bestenfalls noch aus historischer und medizinhistorischer Sicht interessant.

Frühere Theorien gingen von übermäßiger Selbstbefriedigung (Freud) oder einer zunehmenden Gestresstheit durch die Folgen der industriellen Revolution aus. Solche Erklärungen für die Neurasthenie sind längst überholt. Trotzdem ist beachtenswert, dass verschiedene Erschöpfungssyndrome auch in den midernen Industriegesellschaften eine immer größere Rolle spielen. Das Burn-Out-Syndrom und das Chronische Erschöpfungssyndrom sowie die Erschöpfungsdepression sind moderne Diagnosen, die sich häufen.

So gesehen beinhalten sie alle die Anzeichen der Neurasthenie. Sie sind aber wesentlich komplexer in der Symptomatik und den Auswirkungen. Auch die Ursachen moderner Erschöpfungssyndrome müssen differenziert betrachtet werden.

Die Therapie einer F48.0 Diagnose

Die frühere Diagnose F 48.0 beruhte oft auf schwammigen Kriterien, die heute nicht mehr haltbar wären. Auch die therapeutischen Maßnahmen sind heute weitaus komplexer aus früher. Statt Reizstrombehandlungen gelten heute orthomolekulare Präparate, Muskel-entspannende Medikamente, Antihistaminika gegen begleitende Allergien, Anxiolytica gegen Ängste oder Antidepressiva gegen depressive Schübe als mögliche symptomatische Behandlungs-Optionen.

Zusätzlich können Kunsttherapie, Entspannungstechniken, Yoga, Chi Gong oder die Achtsamkeitsbasierte Meditation (MBSR) nach Jon Kabat-Zinn den Betroffenen Erleichterung verschaffen. Einer Erschöpfung kann man demnach mit einer ausgewogenen Mischung aus Erholung, Entspannung und förderlicher Aktivität entgegenwirken. Die Behandlung solcher Störungs- und Erkrankungsbilder ist heute eher ganzheitlich. Es geht in der Therapie von Stress- und Erschöpfungserkrankungen oft darum, ein besseres Energie- und Zeitmanagement zu erarbeiten.

Self-Empowerment“

Ein Leben nach den eigenen Bedürfnissen zu führen, nicht nach den von anderen an unser Leben angelegten Maßstäben!

Die eigenen Grenzen sollen zukünftig mehr Beachtung finden. In Amerika spricht man vom „self-empowerment“. Die Betroffenen müssen lernen, sich selbst besser einzuschätzen und sich selbst zu ermächtigen, ein Leben nach ihren Bedürfnissen zu führen. Der Maßstab, den andere für ihr Leben zugrunde legen, ist nicht immer der richtige. Aus heutiger Sicht können die Betroffenen selbst sehr viel zu ihrer Gesundung tun, wenn sie an Anzeichen einer Neurasthenie leiden.

Die Psychotherapie hat bei Erschöpfungssyndromen oft einen begleitenden Charakter. Nur beim Burn-out spielt sie eine große Rolle. Dieser ist oft einer übermäßigen Leistungsbereitschaft und Überforderung am Arbeitsplatz geschuldet. Diese innere Haltung muss aufgearbeitet werden. Im Rahmen der Diagnose F48.0 spielte die Psychotherapie keine große Rolle. Die ersten Betroffenen fanden sich im Altertum. Erst mit Siegmund Freud und anderen Zeitgenommen kam überhaupt eine Therapiebedürftigkeit ins Spiel. Die Häufung der Modekrankheit „Neurasthenie“ im endenden 19. und dem beginnenden 20. Jahrhundert erforderte aus der Sicht damaliger Psychiater therapeutische Gegenmaßnahmen.

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F48.0 Diagnose laut ICD10? - Neurasthenie, oder? (© goodluz / stock.adobe.com)
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Quellen:

  • de.wikipedia.org/wiki/Neurasthenie
  • alleszuviel.at/burnout-diagnose.html
  • dr-mueck.de/HM_FAQ/Neurasthenie.htm
  • krank.de/krankheiten/neurasthenie/
  • www.deutsche-depressionshilfe.de/files/cms/downloads/faktenblatt_depression-und-burnout.pdf
  • karrierebibel.de/erschoepfungssyndrom/
  • aerzteblatt.de/archiv/33778/Chronisches-Erschoepfungssyndrom-Wenn-das-Leben-nur-noch-eine-Last-ist
  • limes-schlosskliniken.de
  • youtube.com/watch?v=De7y-GNJAA0
  • youtube.com/watch?v=YVAwvrmXDBA

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